ich möchte hier an dieser Stelle immer mal wieder einen
"Aurnhammer" persönlich vorstellen.
Philipp Aurnhammer war ein sehr bemerkenswerter Mensch:
* 14. Juni 1896 / + 13.Dezember 1981
Aus dem Lebenslauf eines tatkräftigen Idealisten Ein Rückblick auf 80 Jahre des schaffenden Lebens von Dr. Philipp Aurnhammer
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Zusammengestellt und durch autobiographische
Fragmente verbundenen Wegbegleitern A. Griebsch und Th. Dorn |
und ihm und allen Freunden, Verwandten und Schülern
Mitarbeitern und Zeitgenossen überreicht
zum 80. Geburtstag am 14. Juni 1976
München und Mindelheim
im Frühjahr 1976
Nisi legitime certaverit non coronatur
"Nur der erreicht des Lebens
Krone,
der gerecht im Kampf gerungen hat.
Timotheos II/2/5
Inschrift an der Decke der Seminarkirche Neuburg
Aus dem Inhalt
Am 14. Juni 1976 feierte ein ungewöhnlicher Mann seinen achtzigsten
Geburtstag: Dr. oec. publ. Philipp Aurnhammer, Stiftungsdirektor i. R. und
Geistlicher Rat. Aus diesem Anlass halten zwei ihm menschlich über viele Jahre
hinweg freundschaftlich Verbundene, die beide ein gutes Stückt des Weges mit
ihm gegangen sind, gemeinsamen Rückblick auf eine vita activa, einen
Lebenslauf, für den jenes berühmte Jakobuswort geschrieben scheint, das da
sagt:
nicht allein der Glaube, sondern die Werke rechtfertigen den Menschen.
Von Cornelius Nepos bis herauf zu Stefan Zweig, Robert v. Ranke-Graves und Marguerite Youcenar haben Autoren mit beruflicher Feder gezeigt, wie sehr es glücken kann, eine Biographie aus Nähe oder Distanz zu gestalten. Solchem Anspruch kann ein kurzes curriculum vitae für unseren Jubilar nicht genügen, doch mag die menschliche Verknüpfung, die manchen Unterton weicher, dieses oder jenes Urteil subjektiver, die eine oder andere Einzelheit herzlicher geraten lässt, als es ein nüchtern-biographischer Referent darstellen würde, mag diese Verbundenheit auch etwas von der Reflexion, der Nachwirkung und der ganz spezifischen persönlichen Ausstrahlung jenes Dr. Aurnhammer fühlbar werden lassen, dessen flüchtige, oberflächliche Einschätzung gelegentlich - wie das Urteil über manchen Großen - ein Bild hätte entstehen lassen können, von dem Schiller sagt:,, durch der Parteien Hass und Gunst verstellt , schwanke es durch die Geschichte.
Aber, geneigte Leser dieser Zeilen, Freunde, Bekannte, Verwandte, ehemalige
Mitarbeiter und ihr zahlreiche Schüler, nehmt alles nur in allem: einen
kämpferischen Menschen, der durch harte Kindheit und Jugend geprägt, nicht
deformiert und doch gewappnet wurde, der seiner früh erkannten wirtschaftlichen
Begabung ebenso wie einet spezifischen, dem Wohl der ihm Anvertrauten in fast
beispiellosem Einsatz sich bewährender Zuwendung theologischer Zielsetzung eine
- bei allem Kontrast - äußerst fruchtbare Verbindung zu geben verstand, der
mit seinen Talenten gewuchert hat, aber alles ihm an scheinbar konträrer
Veranlagung zugeteilte in einer tief christlichen und humanistischen und damit
letztlich abendländischen heute verfallenden idealen Zielsetzung zu
verwirklichen und zur Frucht zu bringen verstand und dem schließlich,
vielleicht durch höhere Fügung, ein Erfolg seines Wirkens oder das, was man
heute vulgo ,,fortune" nennt, nicht versagt geblieben ist, einem solchen
kämpferisch tätigen und durch sein Wirken für die Jugend und den Glauben
letzlich auch furchtbringendem Manne kann man Achtung, vielleicht Respekt
nimmermehr versagen!
Einem, wie Dr. Aurnhammer, der geistlichen Welt des Glaubens verpflichteten und trotzdem in wirtschaftlich-irdischen Dingen tatkräftig um der guten Sache willen sich letztlich mit Segen von oben bewährenden und eine reiche Ernte seines Wirkens einbringenden Mann müssen auch Gegner die Selbstlosigkeit lassen, die Gleichgültigen können eine gewisse Bewunderung schwer verhehlen und alle die vielen - und es ist, ich bin zutiefst überzeugt, eine manchmal vielleicht schweigende, aber insgesamt überwältigende Mehrheit von Freunden, Weggefährten, Schülern und Dankbaren oder von seinem Einsatz, seinem Können beeindruckten Zeitgenossen, die ihn gekannt und mancherlei - auch sehr gerne gehabt haben oder zu bewundern lernten -: alle diese vielen können ihm, und ich darf es an dieser Stelle in ihrer aller Namen aussprechen, heute zu seinem achtzigsten Geburtstag nur den Wunsch übermitteln, er möge ihren Glückwunsch zum Jubelgeburtstag - aus Dank, Bewunderung oder Hochachtung dargebracht - in der großen aber wie stets bei ihm geordneten Buchführung auf der Seite des Haben-Kontos verbuchen:
...denn über alles Glück geht doch der
Freund,
der´s teilend mehrt ....
Der´s fühlend, erst erschafft" ... ( Schiller)
Möge ihm der Rückblick auf ein erfülltes und erfolgreiches, ein in der
Summe aber auch gelungenes Lehen dessen Wirken auch auf dieser Welt ein reiches
Maß in Erfolg und Anerkennung zuteil wurde, mit jener heiteren Dankbarkeit
füllen, die nur das lateinische Wort beatitudo ganz ausschöpft und die vielen
von uns nie, selten oder zu spät zuteil wird So wünschen wir ihm ein optium
cum dignitate - mögen ihm unsere guten Wünsche die nachdenklichen Stunden des
Alterns ein wenig verklären und bereichern.
Der äußere Lebenslauf
bis zur Berufung
als Seminar und Stiftungsdirektor
Geboren wurde Dr. Philipp Aurnhammer am 14. Juni 1896 im ehemaligen Deutschordensritter-Dorf Stopfenheim, Kreis Weißenburg in Mittelfranken als 9. Kind der Baderseheleute Simon und Walburga Aurnhammer (geb. Herler). Seine Kindheit entbehrte zwar jeglichen Hauchs irdischer Wohlfahrt, entfaltete sich aber in der sonnigen Wärme wohltuender mütterlicher Fürsorglichkeit. Schon 1897 starb der Vater und Ernährer der Familie an einer Lungenentzündung. Die ~Mutter stand nun mit den 10 Kindern im Alter von einem Viertel-Jahr bis zu 15 Jahren vor einer düsteren Zukunft. Kindergeld oder sonstige Unterstützung gab es damals nicht. Wie die Frau ihre Kinder durchbringen sollte, war ihre Sache. Statt zu verzweifeln und mutlos die Flinte in' s Korn zu werfen, stellte sich Frau Aurnhammer aus christlichem Glauben heraus dem auferlegten Schicksal und der ihr zugefallenen harten Aufgabe: In unermüdlichem Fleiß von früh bis abends mit eisernem willen und löwengleichem Mut kämpfte und sorgte sie für Ihre Kinder.
Eine kleine Landwirtschaft diente als Existenzbasis, erforderte aber auch die volle Arbeitskraft der Mutter und der älteren, heranwachsenden Kinder. Und sie schafften es! Das drohende Gespenst, auf die Hilfe der Gemeinde angewiesen zu sein, wurde aus eigener Kraft gebannt, - eine Leistung, die fast an ein Wunder grenzte! Kein Wunder aber war es, dass das Dorf und die eigenen Kinder dieser heldenmutigen Frau zeitlebens Achtung und Bewunderung zollten. Aber wollen wir an dieser Stelle zur Illustration der dörflichen Kindheit den Jubilar selbst mit einer kurzen Schilderung zu Wort kommen lassen:
Die Kindheit war geprägt von der liebenden Fürsorge einer Mutter, die für ihre zehn Kinder unermüdlich sich abplagte. Wenn Sie auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage ihnen auch nichts bieten konnte, was für Kinder wohlhabender Elteren selbstverständlich ist, so waren diese in der sonnigen Wärme einer guten, heldenhaften Mutter doch glücklich und zufrieden.
Was verblieb da so einem Buben? Im Sommer: barfuß laufen, Reifen auf der
Straße treiben, an Sonntagen, betreut vom Ortspfarrer mit anderen frohe Spiele,
wie Sackhüpfen und mit den Kameraden allein des öfteren ,;Soldaten
spielen" -typisch für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg. ,Mit einem
Dreispitz-Helm aus Papier und einem aus Holz selbst geschnitzten Schwert
angetan, traf man sich zu kriegerischem Spiel, wobei im
"Schlachtengetümmel" auch Steine flogen und manche Fensterscheibe
Klirrend zerbrach, freilich nicht ohne den schlechten Schützen mit Angst und
Sorge ob der Restitutionspflicht erfüllend.
Zum kindlichen Spiel gesellte sich aber frühzeitig auch der Ernst des Lebens.
Die Mutter ging früh zum Kleemähen. Der Bub musste mit Vieh und Wagen
nachkommen. Nach Hause zurückgekehrt, gab es schnell Kaffee und dann eiligst
zur Kirche, wo man als Ministrant pünktlich zur Messe da sein musste. Danach
ging' s in die Schule, die, wie später das Studium gegenüber der früh
geforderten Arbeit eher als Erholung, denn als Last empfunden wurde.
Der kleine Häftling
Ein Erlebnis prägte sich dem kleinen Philipp geradezu unauslöschlich ein.
Es mag 1905 gewesen sein. Mit einem Schulkameraden dem Sohn des Dorflehrers,
trieb er sich an einem heißen Sommertag im Dorf herum. Die Erwachsenen waren
auf dem Feld. Die Schwester Kirn, im Dienst bei Graf Hirschberg in Lindau, war
im Urlaub da und bei der großen Hitze in der kühlen Stube des elterlichen
Hauses.
Es muss gegen 17 Uhr gewesen sein, da schickte der Lehrersbub Karl den Kameraden Philipp zum Maier, dem ortsansässigen Ladengeschäftinhaber, um ihm Zigaretten zu holen. Den Respekt vor dem Lehrer glaubte der Landbub auch dessen Sohn zollen zu müssen und er beeilte sich, den Auftrag ohne Zögern auszuführen.
Mutig betrat er den Laden. Die Ladenglocke läutete und der Herr Maier trat aus dem neben dem Laden liegenden Wohnzimmer.
Doch, o Schreck, ihm folgte der von den Kindern gefürchtete ,,Schandarm", wie damals die Landpolizisten hießen.
Vom Kaufmann gefragt, was er wolle, stotterte das Büblein nur
,,Zigaretten".
,,Was", fiel ihm, der Hüter des Gesetzes sofort in' s Wort und musterte
den kleinen Delinquenten mit strengem Blick ,,Was, du rauchst schon?".
,,Die gehören ja nicht für mich, die muss ich für den Schlehaider Karl
holen", war die mit zitternder Stimme erteilte Antwort.
,,So, dann holen wir uns den", sagte der Mann im grünen Rock und
unverzüglich verließ er mit dem ,,Sünder" den Laden. Schlehaider schien
aber den Braten gerochen zu haben und war verschwunden.
Jetzt ging ,die Suche nach ihm los. Der Gendarm spielte seine Rolle sehr gut und
steigerte dadurch die Angst bei Philipp immer mehr. Er ging mit ihm die
,,Webergasse" hinauf. Umsonst'. Da meinte der Kleine: ,,Vielleicht ist er
zum Weiher hinausgelaufen." Die beiden gingen
zum Weiher und auch da war der Auftraggeber nicht zu sehen. ,,So", sagte
nach dieser ergebnislosen Fahndung ,der Gendarm, ,,jetzt gehst du heim, ziehst
dein Sonntagsgwand an, setzt dich ans Fenster und paßt auf, wenn ich
vorbeikomme, dann nehme ich dich mit ins Gefängnis, nachdem wir den Schlehaider
nicht gefunden haben." Gesagt, getan. Mit schlotternden Knien betrat
Philipp Hr.- Nr. 8, das Elternhaus, erzählt der Missetäter, das Opfer allzu
großen Autoritätsglaubens nun selbst: ,,Ich ging ohne ein Wort zu sagen in
mein Schlafgemach, nahm aus dem Kleiderschrank den bescheidenen Sonntagsanzug,
zog ihn an und ging ,in die Stube, rückte einen Stuhl vor das Fenster, kniete
mich darauf und starrte unentwegt zum Fenster hinaus, wo der Gendarm auf dem
Rückweg zu seinem Dienstsitz Ellingen vorbeikommen mußte. Meine Schwester
Klara saß am Tisch in der Ecke der Stube und beobachtete mich zunächst mit
fragender Miene. Schließlich fragte sie mich über den Grund meines
rätselhaften Verhaltens.
Mit Tränen gestand ich, ,,der Gendarm will mich ins Gefängnis mitnehmen, weil
ich heim Maier Zigaretten kaufen wollte aber nicht für mich, sondern für den
Schlehaider Karl Er hat gesagt, ich soll hier auf ihn warten, bis er vorbei
kommt." Die Beichte war abgelegt, die Lossprechung aber noch nicht erfolgt.
Im Gegenteil, die Vorstellung daß im Gefängnis Mäuse und Ratten nur so
herumspringen wurden, quälte den potentiellen Häftling mehr, als es je die
Vorstellung vom Fegfeuer hätte tun können.
Scheinbar empfand das frauliche Herz meiner Schwester mit dem ,,armen
Sünder" doch Mitleid, denn ohne Zögern und das Lachen in bewundernswerter
Selbstbeherrschung verhaltend, erklärte sie: ,,So, jetzt bleibst du da und ich
schau nach dem Gendarm und leg' ein Wort für dich ein. Vielleicht kann ich dich
frei bekommen."
Ein Hoffnungsstrahl! Das Herz pochte ruhiger, der Angstschweiß vertrocknete.
Ich wartete noch gut eine Stunde. Kein Gendarm kam vorbei, aber meine Schwester
kam endlich, sie hatte inzwischen die Mutter und Geschwister auf dem Feld
verständigt - zurück und eröffnete mir, ich könne mich wieder ausziehen,
diesmal käme ,ich noch mit einem blauen Auge davon, ich solle mich aber zu so
etwas nie mehr verleiten lassen.
Und die Folge: auch von meinem Paten, dem 48 Jahre alten ,,Thut"' ließ ich
mich nicht mehr bewegen, für ihn Zigaretten zu holen. Ein gebranntes Kind
scheut das Feuer.
Und dem Gendarm ging ich vorsichtshalber noch einige Jahre lang aus dem Weg, aus
kindlicher Angst, dass, wenn auch ich nicht rückfällig würde, er es werden
könnte."
Im Jahre 1905 feierte Pater Petrus Wachter von St. Ottilien in Stopfenheim
,seine Primiz, ein Ereignis von nachhaltiger Wirkung. Drei Buben des Dorfes,
darunter auch Bonifaz
Aurnhammer, der zwei Jahre ältere Bruder des kleinen Philipp, wurden zum
Studium in das Missionsseminar St. Ottilien gebracht.
Drei Jahre später, 1908, wurde auch der Jüngere, unser Jubilar, für St.
Ottilien bestimmt. Pater Basilius rang ihn der armen Wittfrau geradezu ab, aber
er wusste auf der anderen Seite genau, dass er dem Buben für' s Leben einen
entscheidend besseren Start geben konnte, als wenn er in seiner ländlichen
Umwelt warten musste, bis sich für ihn irgendein Beruf
- jedenfalls ohne Studium - ergeben würde. Durch die Zusicherung eines
Freiplatzes wurde der Mutter des 12-jährigen Buben eine ihrer vielen Sorgen
abgenommen; die gebotene Möglichkeit für das begabte Kind mag Ihre Zusage
erleichtert haben. Im September 1908 trat nun der kleine Seminarist Philipp
nicht in St. Qttillien sondern in St Ludwig, in die erste Klasse des
Missionsseminars ein. Ab der 4. Klasse zog er nach St. Ottilien, da die höheren
Klassen dort geführt wurden. Aus der 8. Klasse berief ihn der Kriegsdienst ab.
So erhielt er als Kriegsteilnehmer im Juli 1917, Wie allgemein"' üblich,
das Reifezeugnis.
Am 20. Oktober 1915 rückte er zur Ersatz-Eskadron des kgl. bayer. 8. Chevauleger-Regiments in Dillingen ein. Wie die studierende Jugend ganz allgemein, war auch er von der Gerechtigkeit der ,,deutschen Sache" voll und ganz überzeugt. Die Zugehörigkeit zur Kavallerie erfüllte ihn zusätzlich mit Stolz. Seine monarchistische Gesinnung fand gerade bei dieser Waffengattung Nahrung und Vertiefung. Bestürzt über den Ausgang des Krieges, ließ er sich jedoch in seiner politischen Überzeugung nicht beirren. Im Gegenteil! | ![]() |
ein Chevauleger |
Als die Sendboten des ,,Brigade-Soldatenrates Augsburg" auch die Dillinger
Garnison für das Einschwenken in die Phalanx roter Miliz gewinnen wollten, hat
der junge Philipp Aurnhammer dafür gesorgt, dass ihre Werbeaktion vor
versammelter Garnison (Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere, mit einem
kläglichen Fiasko und einer verstohlenen Flucht aus Dillingen ,bei Nacht ,und
Nebel endete. Nachdem er als Vizewachmeister der Kavallerie aus der bayerischen
Armee ausgeschieden war, fand seine Militärzeit noch eine kurze Fortsetzung
beim Freikorps Epp bzw. Wehrregiment München, in den turbulenten Monaten um die
Jahreswende 1918/19. Später trat er dem Traditionsverband Bayer. Chevauleger
bei, dessen Mitglieder bis heute sich einmal monatlich treffen.
Nach der Befreiung Münchens blieben Teile der Freikorpsformationen zur
Stabilisierung der wiedergewonnenen bürgerlichen Ordnung unter Waffen, so
speziell Formationen aus Studenten. Diese besuchten von Montag bis Donnerstag
die Vorlesungen und leisteten von Freitag bis Sonntag militärischen Dienst.
Rangunterschiede gab es keine. Alle trugen die gleiche Uniform ohne
Rangabzeichen und alle leisteten den gleichen Dienst, gleichviel ob einer im
Krieg dem Offiziers-, Unteroffiziers- oder Mannschaftsstand angehörte.
Die Unterkunft hatten die Studenten in der St. Anna-Schule in München. Von
Freitag auf Samstag schoben sie regelmäßig die Wache im
,,Cornelius-Gefängnis", wo die führenden Köpfe der Räterepublik in
Gewahrsam waren und auf ihren Prozess warteten. Sehr klar erinnert sich unser
,,Soldat auf Zeit" daran, wie er den ,,Generalissimus" der roten Armee
Toller, vom Gefängnis zur Gerichtsverhandlung in das Amtsgericht in der Au
führen und wieder zurückbringen musste. Als militärischer Posten wohnte er
der Verhandlung bei und war angenehm berührt von der humanen Art der
Prozessführung. Toller erhielt lediglich Festungshaft, die er in
Niederschönenfeld abbüßte. Danach huldigte er in Spanien z. Zt. des dortigen
Bürgerkrieges wieder seinen politischen Vorstellungen. Er war bekanntlich mehr
Theoretiker als Kämpfer.
Das Hochschulstudium begann mit dem Besuch der Handelshochschule München
1918. Im April 1920 wurde es mit der Diplomprüfung beendet. Auf Grund des guten
Prüfungsergebnisses ist dem neugebackenen Diplomkaufmann von der Stadt München
eine Anstellung im höheren Dienst der Stadt angeboten worden, was bestimmt eine
sehr verlockende Sache gewesen wäre. Während der großen Volksmission in
München im Jahre 1919 war aber in ihm der Gedanke gereift, Priester zu werden.
Mit diesem Ziel im Auge lehnte er das Angebot dankend ab. Er hatte sich bereits
zur Fortsetzung des Studiums an der theologischen Fakultät entschlossen.
Zunächst wollte er sich prüfen, ob es sich um eine ernsthafte Berufung handle,
wohl wissend, dass ihm der Rückweg in einen weltlichen Beruf jederzeit
offenstand.
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Mit dem Sommersemester 1920 begann er nun das Studium an der Universität München und trat mit dem Wintersemester des gleichen Jahres in das Georgianum in München ein. Im Kreis der allzeit frohen jungen Kommilitonen wurde er sich der Ernsthaftigkeit und Echtheit seiner jungen priesterlichen Berufung endgültig bewusst. Am 26. Juli 1923 schritt er an den Weihealtar, um aus der Hand des Augsburger Weihbischofs Carolus Reth die Priesterweihe zu empfangen. Am 5. August 1923 feierte er in seiner Heimat, in Stopfenheim, die Primiz. |
Der Primiziant |
Statt sogleich in die Seelsorge zu gehen, erbat er sich Studienurlaub, um
auch das Studium der Staatswissenschaften, das teilweise schon beim Studium an
der Handelsschule einschlägig betrieben worden war, abzuschließen. Das geschah
im Juli 1924 mit der Promotion zum Dr. oec. publ. bei Geheimrat Dr. Adolf Weber.
Statt in den nachfolgenden Ferien sich von den Strapazen eines dreifachen
Hochschulstudiums innerhalb von 6 Jahren erholen zu können, erfolgte bereits
zum 16. Juli die Beorderung in die Seelsorge, zweifellos der primären Aufgabe
eines jeden Priesters.
SEELSORGER UND ERZIEHER 1924 - 1929 - 1934
Der erste Posten war Weilheim, wo er als Aushilfspriester den
erholungsbedürftigen Kaplan vertreten musste. Da der Ferienzeit wegen auch der
Stadtpfarrer in Urlaub ging, stand er allein auf weiter Flur und hatte sogleich
gründlich Gelegenheit zur Bewährung. Durch den ferienbedingten Wegfall der
Schulstunden war dieser ,,Einmannbetrieb" auch für einen Anfänger
durchaus zu bewältigen.
Am 16. August musste er als Pfarrvikar nach Wittislingen bei Dillingen, wo der
dortige Pfarrer und Dekan auf der Kanzel einem Schlaganfall erlitt, der drei
Wochen später zum Tod führte. Schon dort zeigte sich seine lebensnahe
Hilfsbereitschaft, als er die plötzlich mittellos dastehende, alte
Pfarrhaushälterin durch ein Nottestament für den Rest des Lebens versorgte.
Nach Besetzung der Pfarrei kam er am 1. November 1924 als Kaplan nach HI. Geist,
Neuburg, wo sein ,,Chef" in humorvoller Weise ihn ,,Durchgangskaplan"
nannte, weil er am 1. September 1925 bereits nach München übersiedelte, um in
den Hansaheimen, einer räumlich 10 Häuser
umfassenden, in der Zielsetzung ,ganz neuartigen Jugend-Heimstätte, einen
Heimleiterposten zu übernehmen. Zwei dieser Häuser waren für die Aufnahme
voll Hochschulstudenten, ein Heim war für junge Kaufleute, vier Heime für
Schüler höherer Lehranstalten bestimmt, während ein Haus für die den Betrieb
führenden Schwestern und ihre Laienhelferinnen diente. 1927 kam ein stattliches
Gebäude für die heimeigene ,,Höhere Handelschule" hinzu, womit
allerdings die finanzielle Belastbarkeit des Gesamtunternehmens überzogen
worden war. Die Folge war die Anmeldung des Konkurses 1928. Der Erbauer und
erster Leiter der Hansaheime, Generaldirektor Ernst Adam, ein edler Priester
nach dem Typ eines Don Bosco, erkannte selbst den steigenden, wirtschaftlichen
Schwierigkeiten nicht gewachsen zu sein und schied darum mit Beendigung des
Konkursverfahrens aus der wirtschaftlichen Leitung aus und überließ diese dem
dazu berufenen Dr. Aurnhammer. Von 1929 an übernahm dieser auch die
pädagogische, d.h. die Gesamtleitung.
Die Hansa-Heime, heute Krankenhaus "am Biederstein"-München
Durch geschickte Verhandlungen mit den holländischen Geldgebern konnten die
dort untergebrachten Schuldverschreibungen zu einem günstigen Kurs
zurückgekauft und damit die Sanierung der Heime endgültig abgeschlossen und
ihr Fortbestand somit gesichert werden.
Mit dem Dritten Reich zog indessen eine neue Gefahr herauf. Der
kirchenfeindliche Kurs der neuen Machthaber steuerte auf die Aufhebung aller
katholischen Anstalten zu. Die Hansa-Heime ereilte dieses Schicksal im Jahre
1938. Als Erziehungs- und Bildungsstätte wurden sie ausgelöscht und die
Häuser zur Unterbringung einer Polizeischule verwendet. Mit Kriegsende endete
auch diese Episode. Da die amerikanische Besatzungsmacht das Schwabinger
Krankenhaus als ,,Military Hospital" beschlagnahmte, wurden die Hansaheime
zu einem Krankenhaus umfunktioniert und der Stadt München ersatzweise als
,,Krankenhaus am Biederstein" überlassen. Als solches bestehen sie heute
noch, ja sie wurden sogar nach erneuter Renovierung die Heimstatt von Kliniken
der med. Fakultät der Technischen Universität München.
IM STAATLICHEN SCHULDIENST 1934-1941
Die zur Auflösung aller katholischen Anstalten führende Schulpolitik des
Dritten Reiches reichte in ihrer Zielsetzung in die Anfänge des
nationalsozialistischen Regimes zurück. Darum konnte ein hoher
Ministerialbeamter alter Prägung den Direktor der Hansaheime schon 1934 auf die
drohende Gefahr der Aufhebung derselben aufmerksam machen. Durch das Freiwerden
der Religionslehrerstelle am Alten Realgymnasium, heute Oskar von
Miller-Gymnasium, zum Ende des Schuljahres 1933/34, bot sich diese Stelle an. In
wohlwollender Weise wurde ,sie Dr. Aurnhammer angetragen, der sie in richtiger
Abwägung der politischen Situation annahm.
Am 16. April 1934 wechselte er somit von den Hansaheimen an das benachbarte Alte
Realgymnasium unter Ernennung zum Studienrat über. Eine seiner ersten Aufgaben
war es, den sonntäglichen Studiengottesdienst neu zu beleben und zu gestalten.
Überraschend gut ,gelang dieses Experiment zusammen mit dem Kollegen Professor
Josef Knott vom benachbarten Max-Gymnasium und in Abwechslung mit ihm feierte
man Sonntag für Sonntag in der Pfarrkirche St. Ursula unter höchst
erfreulicher Beteiligung der Schüler beider Anstalten sowie vieler Eltern den
Gemeinschaftsgottesdienst regelmäßig auch mit Predigt.
Auch mit gelegentlichen Schülerexerzitien hatte der neue Religionslehrer Glück. Einmal erreichte er von allen Münchner Gymnasien sogar die Rekord-Teilnehmerzahl, was ihm kirchlicherseits Lob, staatlicherseits Tadel einbrachte. Ähnlich war es mit der Teilnahme der Schüler an der Fronleichnamsprozession. So erachtet Dr. Aurnhammer die Zeit seiner Religionslehrertätigkeit als eine der glücklichsten seines priesterlichen Wirkens. Zwischen dem Lehrer, den Eltern und den Schülern knüpfte sich ein Band vertrauensvoller gegenseitiger Verbundenheit. Auch mit den Herren des Lehrerkollegiums bestand stets bestes Einvernehmen und aufrichtige Kollegialität, die sich in einem regelmäßigen monatlichen Stammtisch bis heute fortsetzt. |
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Oscar von Miller-Gymnasium |
ZUM ZWEITEN MAL IN UNIFORM 1941-1945
Eine einschneidende Änderung der schulischen Tradition brachte für den Religionsunterricht die Nazi-Verordnung, dass ab Schuljahr 1941 nur noch in den Klassen 1-4 Religionsunterricht ordentliches Lehrfach sein sollte, d. h. der Religionslehrer wurde aus den Klassen 5-8 verbannt. Die Folge: Freiwerden der Hälfte der Religionslehrer. Um seinem nicht beamteten geistlichen Kollegen das Verbleiben an der Schule zu ermöglichen, setzte sich Dr. Aurnhammer mit einem Freund im Generalkommando VII in Verbindung und bewerkstelligte über ihn seine Einberufung in den Dienst der Wehrkreisverwaltung. Sie erfolgte zum 1. September 1941. Nach viermonatiger Ausbildung an der Heeresverwaltungsschule München wurde er in der Lazarettverwaltung als Kriegsverwaltungsinspektor eingesetzt und zwar im Bereich des Reservelazaretts 1, München.
Als 1942 das Exerzitienhaus Fürstenried Teillazarett des Reservelazarett 1 wurde, erfolgte auf Ersuchen des Direktors des Exerzitienhauses, Herrn Anton Kothieringer, Dr. Aurnhammers Versetzung als Dienststellenleiter in das Lazarett Fürstenried, womit beiden Teilen, dem geistlichen Haus und dem geistlichen Heeresbeamten in gleicher Weise gedient war. Als Chirurg, im Rang eines Oberstabsarztes, wirkte dort der bekannte Professor Max Lebsche; die Pflege der Patienten oblag neben einigen Rotkreuzschwestern den Niederbronner Schwestern vom Kloster Neumarkt, die schon im Haus waren und nun auch die Lazarett-Küche versahen. | ![]() |
Im Dienste des Lazaretts |
Selbst die Hilfskräfte in der Zahlmeisterei waren Ordensschwestern. Ein
Milieu, in dem sich auch die Soldaten-Patienten richtig wohl und wie zu Hause
fühlen konnten.
Ein bei einem Flieger-Angriff durch eine Luftmine angerichteter großer Schaden
wurde mit Hilfe von im Handwerk erfahrenen Patienten rasch behoben und so der
Fortbestand des allseits beliebten Lazaretts ermöglicht. Als im Zuge der
Entfernung aller katholischen Priester aus Offiziers- oder offiziersähnlichen
Rängen auch Dr. Aurnhammer seines Postens enthoben und in den Sanitätsdienst
versetzt werden sollte, wussten der Chefarzt und der Oberfeldzahlmeister des
Res.-Laz. 1 das zu verhindern mit dem Hinweis auf den ,,Diplomkaufmann"
Aurnhammer. Dieser aber wies ausdrücklich auf seinen unabdingbaren geistlichen
Habitus hin, um nicht später gar als Apostat angesehen werden zu können. Das
alles geschah unter eingehender Information des Generalvikars der Erzdiözese,
sowie des Kardinals Faulhaber. Statt der Entfernung aus dem gehobenen Dienst
erfolgte die schon längst fällige Beförderung zum Oberzahlmeister.
Mit Kriegsende kam auch das Ende des Teil-Lazaretts. Da aber noch viele Soldaten
ärztlicher Behandlung bedurften, konnte es nicht einfach geschlossen werden.
Man machte daraus das ,,Caritasspital Fürstenried" und führte dieses auf
ziviler Basis mit den gleichen Kräften weiter.
Professor Lebsche kam noch wie vorher täglich zur Operation. Dr. Aurnhammer
besorgte weiterhin die Verwaltung, was ihm wegen der noch bestehenden
Schließung der Schulen möglich war.
Bei Wiederbeginn des Unterrichts 1946 und seiner damit erforderlichen Rückkehr
an das Gymnasium, war das Caritashospital Fürstenried gerade reif für seine
Auflösung. So hatte die ,,Caritas" Gelegenheit in höchst eigener
Zuständigkeit noch mancherlei Wunden des Krieges zu heilen.
In all den Münchner Jahren betreute seine Schwester Anna mit aller Hingabe
und äußerstem Pflichtbewusstsein den Haushalt unsers Jubilars in der
Bauerstraße und ermöglichte ihrem Bruder, auch Nichten und Neffen bei sich
aufzunehmen, um ihnen den Weg in einen Beruf zu öffnen. Nach den Schrecken des
Krieges und der ,,Ausbombung" übernahm sie wieder ihre Aufgabe nunmehr in
der Wohnung Widenmayerstraße und versorgte auch dort ihre Lieben bestens. Mit
Dank und Freude erinnern sich alle ihrer Haushaltsführung und ihrer Rolle als
,,Frau Holle".
DIREKTOR DES
STUDIENSEMINARS NEUBURG
1947-1962
Nur bis Ostern 1947 dauerte die 1946 wieder aufgenommene Lehrtätigkeit. Dann
war ihm ein neues Betätigungsfeld zugewiesen.
1938 war auch das Studienseminar Neuburg jener nazistischen Generalbereinigung
zum Opfer gefallen. Der damalige Direktor Dr. Lorenz Radlmaier, ein Priester und
über Neuburg hinaus angesehener Pädagoge, wurde zwangspensioniert und das
Studienseminar in ein ,,Deutsches Schulheim" umgewandelt. Da Dr. Radlmaier
bis 1945 69 Jahre alt geworden war, kam eine Rückkehr nach Neuburg nicht mehr
in Frage. Verständlicherweise musste aber an die alte Tradition einer
geistlichen Heimleitung wieder angeknüpft werden. Als Nachfolger, als Leiter
und geistiger Vater dieses traditionsreichen Hauses ,,Studienseminar
Neuburg" kam also nur ein Geistlicher in Frage.
Die Wahl fiel auf den ehemaligen Direktor der Hansaheime und jetzigen
Studienrat, der alle Voraussetzungen mitbrachte, das altehrwürdige Haus aus dem
Verfall zu retten und den guten Ruf als Heimstätte der Jugend wieder
herzustellen. Am 16. April 1947 trat er den neuen Posten an.
Der
Stiftungsdirektor
des Studienseminars Neuburg
Erneuerung und Ausbreitung der Stiftungsidee
auf die Städte München-Augsburg-Regensburg
1947-1962
Die Tat nur bringt das Wissen, der nichts wagt,
hat auch vom Glauben bloß den Schein.
Sophokles
Der nun folgende und bedeutsamste Abschnitt im Lebenswerk von Dr. Aurnhammer soll aus mehrfacher Sicht beleuchtet werden. Zunächst sei ein kurzer Abriss der Geschichte des Studienseminars und der Stiftung vorausgestellt bis zur Übernahme durch den Jubilar. Daran schließt ein Bericht der Hausmutter, Frau Th. Dorn, wie sie die Jahre des Aufstiegs und der Erneuerung der Stiftung erlebte und schließlich schildert - nach einigen ,,Bildern" aus dem Seminarleben - ein Schüler, Toni Griebseh, der von 1948 bis 1956 im Seminar, anschließend bis 1963 im Baldehaus die Lebensgeschichte Dr. Aurnhammers aus nächster Nähe und später aus freundschaftlicher Verbundenheit miterlebte, wie er Persönlichkeit und Wirken des Jubilars subjektiv in Erinnerung hat.
Dieser kurze geschichtliche Überblick kann erst jene Plattform
abgeben von der aus sich der Schwerpunkt des Lebenswerks von Dr. Aurnhammer
richtig überblicken lässt und vor diesem Hintergrund gewinnt das ungeheure
Aufbauwerk dieser 15 Jahre erst das volle Gewicht einer geschichtlichen Tat:
Exegi monumentum aere perennius (Horaz).
Abriss der Geschichte des Studienseminars Neuburg
1505: |
Gemeinsame Regierung von Herzog Ottheinrich und Philipp |
1535: |
Ersterer bis 1559. Gründung einer vierklassigen "Lateinschule" |
1569-1614: | Philipp Ludwig Herzog von Pfalz-Neuburg; unter ihm Errichtung einer "Präbende" 1584 |
1614: | Herzog Wolfgang Wilhelm wird katholisch |
1616: | Übergabe der Präbende an die Jesuiten im Zug der Gegenreformation |
1638: | Stiftung des Studienseminars durch Herzog Wolfgang wilhelm. Finanzielle Ausstattung mit Teileinkünften des Klosters Bergen |
1773: | Aufhebung des Jesuitenordens - "schwerster Schlag seit Bestehen" |
1803: | Restitution des Seminars durch Kurfürst Max Josef |
1814 - 1822: | Direktor K. Resch; kluge Wirtschaftsführung |
1816 | Verlegung des Seminars in das seit 1813 verlassene Ursulinenklosters unterhalb des "Roten Tors". Erhebliche bauliche Veränderungen. |
1849 - 1865 | Direktor Thum. Grundlegung für Seminarökonomie |
1866-1872 | F. S. Romeis; Trennung von Schule/Seminar |
1873-1899: | Erster weltlicher Direktor Leonhard Hohenbleicher |
1880/1881 | Errichtung des Hohenbleicher Baues. Erwerb des 382 Tagewerk großen Forsthofs. |
1899-1914: | Dr. L. Götzeler; ausgeglichene Leitung; Aufforstung des Forsthoffeldes. |
1914-1938: | Ära Dr. Radlmeier; 2 1/2 Jahrzehnte positive Entwicklung, niedergelegt in Annalen 1927, 1928 und 1935. Guter Wirtschaftler, Wiederaufbau Ökonomie, strenger Erzieher mit Herz, warmherziger Seelsorger. |
1938-1945: | Seminar als ,,Deutsches Schulheim"; völlig neue Organisation. Verheiratete Erzieher im Dienst. Gruppen- und Heimschule. Durchdringung des Hauses und seiner Schüler mit NS-Gedankengut. Organisatorische Ausrichtung nach Arbeitsrichtlinien ,,HJ". |
1938/1945: | Oberstudiendirektor Dr. Karl Haupt; Heimleitung durch St. R. J. Reger, da Dr. Haupt eingezogen; Kurzzeitig H. Halter - radikale Führung; Widerstand der Eltern. |
1939-1943: | Heimleiter St. R. K. Dorn; Versuch, des Altphilologen, die Bestrebungen der ,,neuen Zeit" in ein positives, für echte Menschenbildung geeignetes Gleis zu lenken. |
1943-1944: | Heim durch L. Hagl ,geleitet; ab Juli. |
1944: | durch Stud. Prof. F. Waller; ab Januar. |
1945: | Aufhebung des Seminarbetriebes; Haus wird Lazarett. |
April 1945: | Artillerietreffer. |
Ab Frühjahr 1945: | Verwüstungen und Verwahrlosungen. Ab Frühjahr 1946: Seminar wird Flüchtlings-Durchgangslager. |
1946/1947: | Allmähliche Konsolidierung des Betriebs. Aber aussichtslos schlechte Situation des kümmerlichen räumlichen Rests des Seminars. Mehrere Anwärter lehnen das schwere Erbe des Wiederaufbaus als zu große Aufgabe ab. |
April 1947: | Auf Wunsch des Kultusministeriums nimmt Dr. Aurnhammer den Auftrag zur Leitung des Studienseminars Neuburg an. |
An dieser Stelle sei nun - vor der Folie der historischen Situation - die
biographische Schilderung wieder der Feder der Hausmutter des Studienseminars,
der Witwe des seit 1944 in Rußland vermissten Heimleiters, Frau Th. Dorn,
überlassen, die von I940-1962 zweiundzwanzig Jahre lang - in der Tradition der
,,Seminarmütter" (Frau Rosa Hohen-bleicher , 1.4. 1873, gest. 28.2. 1928,
Frl. Anna Radlmaicr, die von 1914 bis 1938) Hausmutter war und die Geschicke des
Studienseminars und die Aufbauleistung des Jubilars von maßgeblicher Stelle aus
miterlebte und mit stetem Engagement am Wiederaufstieg des Seminars
entscheidenden Anteil hatte. Frau Dorn, die selbst in der Festschrift ,,75 Jahre
Neuburger Studiengenossenschaft" S.95 und in ,,Annalen" 1960 S.40 eine
gebührende Würdigung gefunden hat, schreibt:
Dr. Aurnhammers Aufbauleistung.
AUS KRIEGSWIRREN
BIS ZUR HOCHBLÜTE DES STUDIENSEMINARS 1947-1962
Die höchste Kraft kann dann nur Hohes wagen,
wenn sie mit weiser Mäßigkeit sich eint.
Horaz, Oden: III,4 (65)
Das Studienseminar Neuburg teilte voll und ganz das Schicksal des deutschen
Vaterlandes: das Los eines totalen Zusammenbruchs!
Zum Kriegsende wurde es Feldlazarett für die immer näher rückende Front,
danach Unterkunft für ungarisches Militär, später für amerikanische Truppen,
schließlich 1946 ,,Flüchtlingslager".
Für die 45 Schüler bei der Neueröffnung (der Schule 1946 stand nur noch ein
einzelner Trakt des quadratischen Gebäudekomplexes notdürftig zur Verfügung.
Das Inventar war verheizt, demoliert oder weggeschleppt, die Fenster teilweise
mit Brettern vernagelt, das Ganze ein Bild der Verwüstung. Sang- und klanglos,
von der Öffentlichkeit unbeachtet, erfolgte der Dienstantritt des neuen
Direktors, den gerade die Hoffnungslosigkeit der gesamten organisatorischen,
baulichen und wirtschaftlichen Situation zur Übernahme der ihm gestellten
Aufgabe reizte.
In zielbewusstem Ringen ,stellte er sich dem Gebot der Stunde. Ein langer
Arbeitstag von morgens 6.oo Uhr bis abends 22.00 Uhr war die Regel. Immer war
Direktor Aurnhammer bemüht, dem Baumeister, der die Ökonomie betreute, und
seinen Leuten schon in aller Frühe das gute Gefühl zu geben, dass sie in den
Mühen und Härten, welche die unentwegte Arbeit für den großen
landwirtschaftlichen und Gesamt-Betrieb des Seminars erforderte, nicht allein
gelassen waren; daher war Dr. Aurnhammer meist schon um 6.oo Uhr auf ,dem Hof.
Oft auch erschien er beim Wecken in den Schlafsälen, um seinen ,,Buben"
das verständlicherweise ,,zähe Losringen" aus der behaglichen Bettwärme
,durch sein Vorbild zu erleichtern.
Von Jahr zu Jahr wurden durch anderweitige Unterbringung der Flüchtlinge Räume
für die Belegung mit neuen Schülern frei. 1951 konnte mit der 250-Jahr-Feier
des Bestehens der Seminarkirche und der Seminaranlagen die volle Verfügbarkeit
für den eigentlichen Zweck festlich begangen werden. Nach gründlicher
baulicher Erneuerung und Neubeschaffung des Inventars erstrahlte das Seminar in
neuem, alles frühere übertreffendem Glanz. Durch den guten Ruf des Hauses
stieg die Zahl der Zöglinge auf 220. Somit war das Neuburger Seminar das
größte staatlich verwaltete bayerische Schülerheim.
Die zum Seminar immer schon gehörende Land- und Forstwirtschaft (letztere
verwaltete der neue Direktor zum Unterschied von früher nun ganz in eigener
Regie - wozu auch der Abschluss von Holzverkaufsverträgen gehörte und die
ganze ,,Wissenschaft" der Vermessung und Bewertung des Holzes), brachte nun
so ansehnliche Erträge, dass nach Abgeltung der Restaurierungskosten erhebliche
finanzielle Mittel für die Ausweitung der Seminar-Stiftung verfügbar wurden.
Jakob-Balde-Haus München
So wuchs die Stiftung in drei Großstädte hinein: In München mit dem
Studentenheim Jakob-Balde-Haus, in Augsburg mit dem Albertus-Magnus-Heim für
Studierende an der dortigen Pädagogischen Hochschule und in Regensburg mit dem
Neubau des 120 Buben fassenden Schülerheims St. Emmeram 1960/61. <Die alma
mater Neuburgensis zählte damit über 600 Studiosi und war somit ein
beachtlicher Faktor im bayerischen Bildungswesen.)
Das bei der 250-Jahr-Feier von Direktor Aurnhammer geschaffene Wappen am Eingang zum Seminar in Neuburg zeigt Kreuz und Buch mit dem Wahlspruch
,,in fide et scientia vis vitae" in Glauben und Wissen zusammen liegt des Lebens Kraft) kennzeichnet als Wahrzeichen der Neuburger Stiftung sämtliche ,,Filialen" des Studienseminars - München, Augsburg und Regensburg.
Albertus Magnus-Heim im Bau, Augsburg
Nach außen traten naturgemäß die Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet
zunehmend beachtet in Erscheinung. Nicht minder aber waren seine Anstrengungen
und unentwegten Mühen im pädagogischen Bereich. Durch die einsatzfreudige
Mitwirkung der Präfekten, die ihre Stunden auch nie zählten, gelang es, den
Buben eine intensive Studienförderung angedeihen zu lassen und dadurch viele
über mancherlei Klippen bis zum Abitur zu bringen. Mit wahrem Idealismus gab
der Direktor ungezählte ,,Paukstunden" und mancher seiner Schützlinge
wird sich der Abendstunden der ,,Fortbildung" im Direktorat erinnern. Die
Eltern, mit denen er vertrauensvoll verbunden war in der Sorge um die Kinder,
schätzten die sorgfältige Betreuung und sein großes, wirklich väterliches
Verständnis für die jungen Menschen und ihre Probleme. Als Priester blickte er
mit klarer Haltung verbunden mit menschlichem Verstehen auf jeden einzelnen,
kannte jeden mit allen seinen Vorzügen und Schwächen und versuchte in den oft
kritischen Phasen der Reifezeit ihn im Leben des Glaubens zu erhalten und zu
fördern. Mit großer Dankbarkeit blickt er heute auf die sieben geistlichen
Mitbrüder, die einst seine Zöglinge waren. Nicht weniger froh ist er aber auch
über seine ehemaligen ,,Buben", die sich heute als aufrechte Christen,
pflichtbewusste, besorgte Familienväter, wache, verantwortungsbewusste Männer
in der Welt, im Beruf bewähren.
Die wirtschaftliche Konsolidierung der Stiftung, besonders durch den Holzertrag
der Wälder, durch die Bauten und ein Tausende von Quadratmetern umfassendes
Baugrundstück in Haar, sowie der Kapital-Ertrag aus einem ansehnlichen
Wertpapier-Depot, machte sie nicht nur wirtschaftlich völlig krisenfest,
sondern bot auch die Möglichkeit in gemeinnütziger Weise durch viele
Stipendien und sonstige Studienbeihilfen ihrem Zweck entsprechend mit
materiellen Gütern den wirtschaftlich weniger Gesegneten den Weg zum Studium zu
ebnen.
Schülerheim, St. Emmeram, Regensburg
So konnte Dr. Aurnhammer 1962-1963 seinem Nachfolger ein geordnetes Erbe
übergeben. Das anfänglich unmöglich Erscheinende war dank des Segens von
oben, der nimmermüden Hingabe des Direktors und der treuen, allzeit willigen
Mitarbeit des Personals möglich geworden. Die Anerkennung durch Direktor Dr.
Radlmaier, der Dr. Aurnhammer einen ,,zweiten Resch" nannte, oder der
Ausspruch des alten Herrn Hohenbleicher Sohn des Seminardirektors Hohenbleicher
1870-1899) nach der Fertigstellung des Jakob-Balde-Hauses: ,,Nicht nur meine
Verehrung, auch meine Bewunderung", waren Worte der Anerkennung für das
Aufbauwerk aus berufenem Munde. Denn es waren spontane Äußerungen von
aufrechten Männern und neidlosen Freunden des Studienseminars.
Nicht weniger anerkennend war die Äußerung des Bischofs Freundorfer von
Augsburg: ,,Sie sind mein Simon von Cvrene", womit er seiner Erleichterung
darüber Ausdruck gab, dass Dr. Aurnhammer ihm die Sorge um die Lehrer- und
Lehrerinnen-Studenten mit dem Bau des Albertus-Magnus-Heimes abgenommen hat.
Auch die Regierung v. Schwaben hat anlässlich der Verabschiedung des in Pension
gehenden Direktors dessen Leistungen hohes Lob gezollt und bedauert, dass auf
Grund der bestehenden Ruhestandsversetzungsbestimmungen eine so erfolgreiche
Tätigkeit beendet werden müsse obwohl die geistige und körperliche Frische
des Amtsinhabers die Fortsetzung durchaus möglich scheinen lasse.
Gleichzeitig mit Beendigung seiner Dienstzeit im Studienseminar 1963 feierte er
sein 40jähriges Priesterjubiläum sowohl in Neuburg, wie auch in Stopfenheim
unter zahlreicher Beteiligung der Gläubigen. Die Heimatgemeinde machte ihn zum
Ehrenbürger, der Bischof von Augsburg ernannte ihn zum Geistlichen Rat. Am 6.
November 1963 feierte ihn die Neuburger Studiengenossenschaft im Baldehaus
München mit einem Ehrenabend, zu dem ihm eine Photobiographie des 15-jährigen
Neuburger Wirkens übergeben wurde.
BILDER AUS DEM NEUBURGER STUDIENSEMINAR
Der Seminarbetrieb
Die Schätze der Könige
sind die Herzen der Untertanen.
(Wahlspruch Leopolds II. v. Habsburg)
Im Seminar hatte sich das Gefühl einer großen Familie herauskristallisiert.
Alle zogen sozusagen am gleichen Strang. In der Land- und Hauswirtschaft
arbeiteten alle - dort unter Führung des Baumeisters, hier unter Leitung der
Hausmutter - der Zeit und Intensität nach so, wie es das Wohl des Hauses
erforderte. Wenngleich die Arbeitszeit selbstverständlich geregelt war, dachte
man nicht daran, etwa mit dem Glockenschlag sie zu beginnen oder zu beenden.
Am wenigsten wäre das im Schülerbereich möglich gewesen. Mit drei Präfekten
wurde der um 6.00 Uhr beginnende und um 21.00 Uhr endende Tag im Studienseminar
bei 220 Zöglingen abgewickelt. Dabei waren ,,die Herren", wie die
Präfekten genannt wurden, gleichzeitig in dieser 15-stündigen Zeitspanne im
Dienst. Zwei von ihnen weilten jeweils zur Studienüberwachung in den beiden
Studiersälen, einer der Präfekten widmete sich während der Studierzeit dem
,,Pauken" schwächerer Schüler. Dies ergab eine für heutige Begriffe von
Arbeitszeit ganz und gar nicht ,,aufgehende" Rechnung. Nur aus einer
idealen Berufsauffassung heraus, fern aller ,,gewerkschaftlichen"
Denkweise, lässt sich ein solcher Einsatz erklären. Man möchte meinen, dass
ein solches Vorbild der Pädagogen auch auf die Studierfreudigkeit der Jugend
ausstrahlte; wenngleich Jugend ungern früh den Ernst des Lebens an sich
heranlässt, so hat gemäß dem pädagogischen Prinzip des ,,Vorbildes"
eine gewisse Rückkopplung stattgefunden, was man, gleichfalls gemessen an den
schulischen Erfolgen, wohl behaupten kann.
Alle, die im Seminar, gleichviel an welchem Platz, zum Wohl des Ganzen
mitwirkten, denken trotz der hohen Anforderung an ihre Dienstbereitschaft gerne
an die dortige familiäre Atmosphäre zurück, das Verwaltungs-Personal mit
eingeschlossen. Auch dieses leistete, wenn nötig, freiwillig zahlreiche
Überstunden. Da hat sich deutlich das Sprichwort ,,Wie der Herr, so sein
Gscherr" bewahrheitet. Das Vorbild des Chefs spiegelte sich in den
Leistungen seiner Mitarbeiter wieder.
"Ein zweiter Resch"
,,Einen zweiten Resch" nannte, wie schon erwähnt, Direktor Radlmeier
seinen Nachfolger. Karl Resch war Seminardirektor von 1814-1822. Er gilt als
Retter der Seminarstiftung, die um die Wende zum 19. Jahrhundert vor ihrem
Untergang stand. Durch umsichtige und sparsame Geschäftsführung und den
Glücksfall, das ehemalige Ursulinenkloster als künftiges Domizil für das
Studienseminar vom Staat aus der Säkularisation überlassen zu erhalten (1816),
sicherte nicht bloß den Fortbestand, ,sondern auch die Ausweitungsmöglichkeit
des Seminars. Damit waren in entscheidender Weise die Weichen für die Zukunft
gestellt. Was Resch selbst zum zweiten "Fundator" des Studienseminars
machte, währte bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Als dann wie bei Resch wiederum
das Ende des Seminars gekommen schien, wusste der neue Direktor das zu
verhindern. Wie im staatlichen Bereich wurde auch hier durch eine Art
Wirtschaftswunder die drohende Katastrophe abgewendet.
Der Restaurator
Die Neugestaltung der Seminarbauten war im Herbst 1951 - abgeschlossen und wurde
zugleich mit der 250-Jahr-Feier der Anstaltsgebäude in Anwesenheit des Bischofs
Freundorfer von Augsburg, der Prominenz von Staat und Stadt, der Studiengenossen
und sonstiger zahlreicher Gäste festlich begangen. In einer Festschrift von Dr.
Aurnhammer ,,250 jähriges Bestehen der Studienkirche. . .,, und in den Annalen
1960 (eine Fortsetzung der von Radlmaier iniziierten neuesten Geschichte des
Studienseminars der Annalen 1927/28 und 1938, die verdienen, weitergeführt zu
werden), sowie im Vergleich je eines Photo-Albums von vor 1939 und nach 1951,
sind die mannigfaltigen zeitgemäßen Änderungen deutlich erkennbar. Speziell
der Restaurierung der freundlichen und künstlerisch harmonischen Barockkirche
wurde besonderes Augenmerk geschenkt. Unter ihr ist die Gruft-Grabesstätte der
Ursulinen von I700-1806. Sie wurde im 2. Weltkrieg von unbekannten Tätern
aufgebrochen, die Grabnischen durchwühlt - offenbar im törichten Glauben, dort
,,wertvollen Schmuck zu finden - alles in allem zeigte sich ein Greuel der
Verwüstung. Den Schwestern wieder eine würdige Stätte der letzten Ruhe zu
geben war nicht nur eine Verpflichtung der Pietät, sondern auch der
Dankbarkeit. Verdankt Neuburg doch ihnen prächtige Antependien -und
Messgewänder in einer von einmaliger Goldstickerei geprägten Form, die mit
einer derartigen Liebe und Ausdauer erfolgte, dass manchmal Ursulinen bis zur
Erblindung an dieser diffizilen Arbeit blieben.
Neben der Erneuerung der Gruft erfuhr die Kirche eine sehr gelungene
Restaurierung und sie ist somit wieder ein Schmuckstück Neuburgs geworden. Am
auffallendsten ist die Auswechslung des Hochaltarbildes. Nach der
Säkularisation wurde das prächtige Gemälde vom Martyrium der hl. Ursulas dem
Rahmen genommen und ein Kreuzbild eingefügt
gemäß der nach der hl. Kreuzkirche i." Bergen erfolgten Benennung
,,Seminar zum hl. Kreuz". Das Kreuzigungsbild aus der 2. Hälfte des
19. Jahrhunderts hängt jetzt auf der Orgelempore, während dem Besucher sich
das in herrlicher Farbenkomposition dargestellte Martyrium der Kirchenpatronin
in barocker Bewegtheit darbietet.
Helfer in Verlegenheit
Man feierte das 25jähnige Priesterjubiläum des Religionslehrers Prof. Albert Lidel. Der Festprediger ist ein Freund und Pfarrer einer Gemeinde im Ries; mit dem Seminar-Auto sollte er abgeholt werden. Um 9.00 Uhr sollte der Festgottesdienst beginnen. Alles war bereit, nur der ,Festprediger war noch nicht eingetroffen. Um 9.10 Uhr entschloss man sich, in der Erwartung, dass er bis zum Evangelium eintreffe, zum Beginn des Gottesdienstes. Das Gloria war verklungen, das Evangelium gesungen, aber der Prediger noch immer ,nicht in Sicht. Kurz entschlossen stieg der als Diakon fungierende Dr. Aurnhammer auf die Kanzel und hielt die Predigt gar nicht schlecht, wie man sagte. Die Freundschaft mit dem Jubilar löste ihm offenbar die Zunge und beschwingte das Herz und die Gedanken zu einer ,,Festpredigt" aus dem Ärmel.
Der Chef der Landwirtschaft
Der Seminardirektor von Neuburg ,ist Herr einer der größten Wald- und
landwirtschaftlichen Besitzungen. Als getreuem Verwalter dieses Besitzes muss
ihm an einer guten Bewirtschaftung gelegen sein. Damit waren damals schon die
mannigfaltigen Sorgen um ausreichende Hilfskräfte verbunden; denn Maschinen wie
heute gab es noch nicht. Die Einbringung der Ernte war damals aber
lebenswichtiger als je sonst.
Da appellierte der Seminardirektor an den Idealismus ,seiner Studenten: er wurde
nicht enttäuscht. Zur Zeit der Kartoffel- und Rübenernte wimmelte es auf den
Feldern des ,,Seminärs" von jungen Burschen. Der Direktor stellte die
Einsatzkader höchstpersönlich zusammen. Den Anfang mussten jeweils ,die
obersten Klassen machen, denn sie sollten dadurch ein Zeichen setzen zum Ansporn
aller. Der Direktor oder ein Präfekt leiteten den ,,Einsatz" und griffen
notfalls selbst tatkräftig zu. Tagtäglich wurde das Ergebnis am schwarzen
Brett bekanntgegeben und damit der Wettstreit der Bewährung in der ,,Arena der
Kartoffelschlacht" sportlich verbrämt. Der tägliche ,,Einsatz"
dauerte von I3.00-I7.00 Uhr, dann ging's heim unter die Dusche und zum
kräftigen Abendessen. Das Haus- und Küchenpersonal tat brav mit, indem es gern
die damit verbundene Verlängerung der Arbeitszeit hinnahm.
Fleißige Erntehelfer
Nach der Ernte folgte in der Regel am Fest der Kirchenpatronin Ursula die
Ernte-Feier bei Weißwürsten - vom Direktor selbst von München, der Metropole
echter Weißwürste, herbeigeschafft - und bayerischem Bier und frohen
Gesichtern. Der Direktor war ,stolz auf seine tüchtigen Buben und diese konnten
es sein auf ihre Leistungen. Dieses Experiment war auch pädagogisch wertvoll,
weil es auch bei der Jugend neue Erkenntnisse schaffte, dass nämlich an der
leiblichen und landwirtschaftlichen Versorgung der Menschheit Schweiß und Mühe
hängen. Das wirkte umgekehrt auch auf die Leute in der Landwirtschaft nach,
nämlich die Einsicht, dass ihre Arbeit, wenn nötig, auch von Studierenden und
Studierten geleistet werden kann, was somit auch eine ,,soziale Komponente"
bei diesem Einsatz zum Tragen brachte
Freilich, weniger begeistert war in der Regel die Schule; aber die Professoren
kamen freundlicherweise entgegen durch Rücksichtnahme auf die Schüler, die
tags zuvor einige Stunden der sonst üblichen Studierzeit bei körperlicher
,,Ertüchtigung" verbrachten. Es waren auf 220 Zöglinge verteilt für den
einzelnen höchstens zwei Nachmittage für den Ernteeinsatz. Es ist
verständlich, dass der Seminardirektor und das Personal erleichtert aufatmeten,
wenn alles gut vorbei war.
Leider fehlte es nicht an Missgesinnten, die diese und andere Erfolge des
Seminardirektors mit Argusaugen verfolgten. Ihnen ist entgegenzuhalten, was der
Nachfolger von Seminardirektor Resch, Direktor Thum, über diesen sagte:
,,Seine ausgezeichneten Verdienste, welche er sich um das Seminar erwarb, vermag
ihm kein Neid und keine Splitterrichterei zu schmälern." Und Dr. Radlmeier
fügte hinzu ,,Wenn man bedenkt, wie schwierig die Gesamtlage des Seminars
damals war, muss man sagen, es war ein kritisches, ein keckes, ein gewagtes
Unternehmen" - aber gerade das lockte den in anderen heiklen Situationen
bereits bewährten ,,Wirtschaftler" Aurnhammer.
Der ,,Forstmeister"
In seiner Tätigkeit als Herr des Seminarforstes kam Dr. Aurnhammer ein
erwähnenswerter glücklicher Umstand zu Hilfe. In dem pensionierten staatlichen
Revierförster Ganßer hatte er einen Mann von einmaliger fachlicher und
charakterlicher Eignung. Ganßer, wie Aurnhammer ehedem Chevauleger der
war Eskadron-Wachtmeister beim 4. Chevauleger-Regiment - war, von einer
vorbildlichen Dienstauffassung beseelt, die personifizierte Zuverlässigkeit und
Unermüdlichkeit, ein Mann, dem der Wald, seine Pflege und seine Nutzbarkeit ein
Herzensanliegen war; kein Wunder, dass er von den Waldarbeitern Achtung und von
seinen Vorgesetzten absolutes Vertrauen, Hochschätzung und Anerkennung erfuhr.
Die haushälterische und hauswirtschaftliche Betreuung
Nicht unerwähnt dürfen die bleiben, die im Laufe seines Priesterlebens für
das leibliche Wohlergehen Sorge getragen haben in getreuer Nachfolge der Martha,
die um Christus selbst nie anders als selbstlos und dadurch rührend besorgt
war. Es sind das: In den Hansaheimen die Niederbronner Schwestern, im
Privathaushalt des Studienrats in München bis zum Ausbomben seine Schwester
Anna, die ihn dort ebenso wie nach dem Krieg in der Wohnung in der
Widenmayerstraße betreute. In Neuburg besorgte sie die Dienstwohnung und den
Bruder, wirksam unterstützt von der Hausmutter des Studienseminars, Frau
Thusnelda Dorn. Mit dem Pensionisten zog die treue und allzeit besorgte Seele
mit wieder nach München, wo sie bis kurz vor Ihrem Tod am Weihnachtstag 1972
unter Aufgebot ihrer letzten Kräfte sich für ihren Bruder abmühte. Sie war in
des Wortes bestem Sinn eine Opferseele, die die Kraft zur Bewältigung ihrer
langjährigen treuen Dienste aus ihrer tiefen Religiosität schöpfte.
Nach ihrem Tod versorgte den alten Herrn seine um ein Jahr jüngere Schwester
Marie bis zur Übersiedlung nach Eichstätt. Mit 76 Jahren wurde diese von
Schwester Fidelis aus der Benediktus-Schwesternschaft in München-Pasing
abgelöst, die nun dankenswerter Weise für den Jubilar bis an sein Lebensende
zu sorgen sich bereit erklärt hat.
Die Einzelheiten der Wiederaufbauleistung und der wirtschaftlichen Sanierung
der Stiftung Studienseminar Neuburg, wie sie der vorstehende sachliche und
knappe Bericht kurz umrissen hat, und wie sie sich in den ,,Bildern"
spiegeln, wurden im 4. Band der ,,Annalen des Studienseminars Neuburg a. d.
D." vom Juni 1960 .genauer festgehalten. Es würde den Rahmen dieser
knappen Biographie sprengen, diese Leistungen auf den zahlreichen Gebieten wie
Bauten, Renovierungen, Wirtschaftsführung, Kirchenrestauration, Landwirtschaft,
Gärtnerei, Grundstückkäufe, Mietshäuser ,und die erwähnten drei Großbauten
München, Augsburg und Regensburg weiter aufzuführen. Jedoch soll ein Satz aus
den ,,Annalen 1960" als richtungweisend hier zitiert werden: ,,Das Jahr
1956 bedeutet in der Geschichte des Seminars einen Einschnitt, eine derart
entscheidende Wende in der Entwicklung des Stiftungsgedankens, dass man dieses
Jahr mit der Gründung 1638 selbst und der großen Übersiedlung 1816
vergleichen ,kann. Die große Stiftung war nicht nur aus den
Verwüstungen und wirtschaftlichen Gefahren der Kriegs- und Nachkriegszeit
größer und gesicherter denn je hervorgegangen, das Studienseminar selbst war
nicht nur von Grund auf erneuert und aufs modernste neu gestaltet worden: nun
war noch dazu mit dem 11/2-Millionen-Projekt eines Studentenheimes, das die
Seminaristen auch in der Studienzeit in München beherbergen soll, ein
grundsätzlich neuer, kühner und entscheidender Schritt geschehen. Die Stiftung
hatte das erste Mal in ihrer mehr als 300-jährigen Geschichte über den Bereich
Neuburgs hinausgegriffen, -eine Tat, mit der der Entwicklung der Jahrhunderte
neue Wege gewiesen sind. Und das ist das Verdienst eines Mannes, des
Stiftungsdirektors Dr. Ph. Aurnhammer.... es ist.... etwas Einmaliges, noch nie
Dagewesenes, was er geschaffen hat und was durch ihn zu einem Wendepunkt in der
Stiftungsgeschichte geführt hat."
Hier soll ein Gedicht von Gymn. Prof. H. Renner, Neuburg, folgen, das die
Gründung des Balde-Hauses poetisch umreißt und bei dessen Einweihung durch
Kardinal Wendel von Toni Griebsch, dem spiritus rector dieser Broschüre,
vorgetragen wurde.
Zur Einweihung des Jakob Balde-Hauses
Hier ist ein guter Stein gefügt, ihr Freunde,
gerechter Not ein warmes Dach bereit.
Gedenkt mit mir der Vaterhand und auch
des klaren Muts, der solchen Plan gehegt!
Seht dort die Macht sich ihre Türme bau'n!
Im lichten Saal glänzt die Maschine hoch
verwöhnt, als wär' sie nicht von uns gemacht
Doch wo der Geist heut mit umwölkten Sternen
die strenge Zwiesprach hält, ein Fordrer oft,
und doch in Demut ringend um ein Zeichen
erneuter Ordnung: sagt, wer darf da noch zaudern,
der ernsten Unruh einen Sitz zu richten,
dass sie sich sammle, dass sie innig fühle,
für wen sie irren darf und Ordnung wagen!
Wißt, daß die Jugend gern dem Geist sich stellt,
der hohen Zucht, der Arbeit, die sie steigert.
Und doch vermag ihr Feuer nichts, ihr Fleiß,
ihr liebster Eifer nichts, wenn des bescheidnen,
des Ofens Duft, das stille Wort ihr fehlt.
So schaut beglückt denn, Freunde, um und um
schmiegsamen Raum, die Treppe schlank gefügt,
die Türen geh´n zu immer bessrer Einkehr
Wenn draußen bald die Spätjahrswinde stoßen,
wenn aus der Schlucht der Straße das Getriebe
der großen Stadt heraufwill, oh, das kommt
nur sanft an diesen steilen Bug; der schneidet's
gelassen wie ein wohlbeladnes Schiff.
Doch was so gern und sorglich gut bereitet,
es wünscht sich menschennahe Dauer auch
Und kann´s des Höchsten Segen denn entbehren !
Gott geb' der Dauer Sinn, der Müh Bescheiden,
euch Wänden aber wie dem Walde Blüt'
und Frucht, Gedeihen, ach und Fröhlichkeit.
dem Keller Wurzelkraft, Freundschaft der Erde!
Mag doch der Herr vor blindem Schicksal schonen!
Haltet die Herzen nun zur Weihe still!
Über die unvorstellbare Leistung auf betriebswirtschaftlichem,
finanzpolitischem, juristischem, organisatorischem Gebiet hinaus war es die der
großen Persönlichkeit des Jubilars entströmende, in sich ruhende Kraft zur
Synthese dieser einen Seite der Begabung mit den sich andererseits stellenden
Aufgaben auf dem Gebiet pädagogischer und seelsorgerischer Zielsetzungen, in
deren Dienst die Wirtschaftskraft der Stiftung stets gestellt wurde. Nie konnte
die Fülle der Aufgaben und Probleme der erstgenannten Seite die Zielstrebigkeit
des Einsatzes für die jungen Menschen auf dem Gebiet von ,,fides und scientia",
von Glauben und Wissen, auf der anderen Seite in Frage stellen oder mindern. Die
grandiose Beherrschung der wirtschaftlichen Aufgaben wurde nie zum Selbstzweck,
sondern war das Mittel zum Zweck, junge Menschen zu schulischer Leistung,
menschlicher Reifung und Vertiefung der transzendentalen Bindung in einem sich
wandelnd erneuernden Glauben hinzuführen.
Dabei war Dr. Aurnhammer weder ein pastoraler Theoretiker noch ein theologischer
Scholastiker. Die beharrliche Wirkung, die von ihm in ,den Disziplinen
schulischer Leistungen, Charakterbildung und Glaubensvertiefung ausging, ist nur
verständlich, wenn man sich an die alte pädagogische Maxime der Wirkung durch
das Beispiel erinnert und dieses Beispiel durch die zähe pragmatische Haltung
einer früh mit den Härten des Lebens konfrontierten, aus erdverbundener
bäuerlicher Jugend stete Kraft schöpfenden und durch ungebrochene Einheit von
Persönlichkeit und Handeln durch geformte Kämpfernatur täglich aufs neue
verwirklicht sieht.
Dazu hat es Dr. Aurnhammer stets verstanden, die stets weiter sich
ausbreitenden Aufgaben seines Amtes als Stiftungsdirektor auf seine Mitarbeiter
zu delegieren und er wusste durch sein mitreißendes Beispiel vom einfachsten
Wald- und landwirtschaftlichen Arbeiter bis zu seinen Mitarbeitern in Verwaltung
und Küche, von der Hausmutter bis zu den Präfekten und Klassensprechern bis
hinauf zum Stiftungskuratorium - das seit 26. II. 1954 mit dem neuen
Stiftungsgesetz demokratisch an seinem Amt mitwirkte - stets die Herzen seiner
Mitarbeiter für sich und das gesteckte Ziel einzunehmen, ja zu begeistern. Ohne
dieses Phänomen der inneren Macht über die Herzen und Geister der Mitarbeiter
wäre dieser zentrale Abschnitt seines Lebenswerkes nicht erreichbar gewesen.
Diese Analyse soll dabei das in den fünfzehn Neuburger Jahren geschaffene
große Werk nur verstehbar machen, weil es sonst zu übermenschlich wirken muss
und dies ist auch die Stelle, wo dankbar dieses Synergismus aller an der
Neuburger Aufgabe beteiligten Mitarbeiter zu gedenken ist.
Heimleiter und Hausgeistlicher (1963-1973)
1962 führte Dr. Aurnhammer sein Lebensweg wieder nach München, wie nach
seiner Primiz 1923. Die Ursulinen in Landshut bauten dort ein Mädchen-Wohnheim.
Auf der Suche nach einem wirtschaftlichen Berater wurde die Oberin des Klosters,
Schwester Blandina, von höherer Seite auf den in den Ruhestand tretenden und
dadurch ,,frei werdenden" Dr. Aurnhammer aufmerksam gemacht. Zielbewusst
sorgte er nach seinem Engagement für den zügigen Baufortgang, um das Haus bis
zum Beginn des Wintersemesters 1963/64 fertig zu haben. Kaum war der eigene
Umzug geschafft, musste binnen 14 Tagen das 200 Betten zählende Heim belegt
werden. Mit Hilfe des Studentenwerkes gelang es. Hörte man sich um, so konnte
man glauben, ein zweites Pfingsten zu erleben, denn Studentinnen der
verschiedensten Nationen und Sprachen kamen hier zusammen. Nur so war es aber
möglich, das 7 stöckige Haus in so kurzer Zeit zu bevölkern. Dabei wurde
vielen jungen Leuten in der Not der Zimmersuche geholfen. Unvergesslich bleibt
dem Leiter des Hauses Weihnachten 1963, wo in gemütlicher Runde das ,,Stille
Nacht, heilige Nacht" in so vielen Sprachen erklang und die Universalität
von Christi Geburt allen bewegend zum Bewusstsein kam.
Prokurator der Lachnerklinik (1966-1970)
Die Benediktus-Schwestern, eine Schwesterngemeinschaft auf benediktinischer
Basis, waren Träger des ,,Kinderkrankenhauses an der Lachnerstraße" in
München. Durch den Umbau des alten und den Neubau eines neuen
Krankenhaus-Traktes waren die Schwestern in finanzielle Bedrängnis geraten. In
Dr. Aurnhammer fand sich ,der Retter in der Not, und es war für ihn nun schon
die dritte große Sanierungsaufgabe! Das Erzbischöfliche Ordinariat München
bestellte, dem SOS-Ruf der Schwestern Gehör schenkend, den bewährten
Finanz-Experten zum ,,Prokurator" der Schwesternschaft mit unbeschränkten
wirtschaftlichen Vollmachten. Da die Zukunft ,der guten Schwestern auf dem
Spiele stand, von denen die meisten schon im hohen Alter waren und die ein Lehen
lang selbstlos, d.h. ohne Entgelt im Dienst kranker Kinder gestanden hatten,
entschloss sich der 70jährige ,,Ruheständ1er" zur Übernahme dieses
ehrenvollen, aber riskanten Auftrages, im Glauben, in ihm einen Anruf Gottes
erblicken zu müssen; denn das war ihm klar, es konnte nicht Gottes Willen sein,
diese Opferseelen in ihrem Alter einem bedrohlichen Schicksal zu überlassen.
Gott wirkt in einem solchen Fall keine Wunder, aber er hat und braucht Menschen,
die seinen Willen vollziehen! Aus dieser Haltung heraus erfolgte sein Ja.
Da er existentiell durch sein Ruhegehalt versorgt war, stellte er sich ex
caritate, d.h. ohne Entgelt, zur Verfügung. Die Heimleitung im Ursulinenheim
hatte er inzwischen an eine hierfür ausgebildete Schwester der Ursulinen
übrrgeben, er selbst aber blieb als Hausgeistlicher im Heim bis zu seinem
Wegzug nach Eichstätt im Jahre 1973 wohnen, begab sich aber regelmäßig von
Montag bis Samstag an seinen neuen Arbeitsplatz in der Lachnerstraße.
Es gibt Fälle, in denen ein Kranker nur noch durch ei neu operativen Eingriff
gerettet werden kann. Soll im Wirtschaftsleben ein Unternehmer aus den roten
Zahlen herauskommen so müssen Einnahmen und Ausgaben wieder in die Balance
gebracht werden. Das ist nur möglich entweder durch die Steigerung der
Einnahmen oder die Verringerung der Ausgaben, wenn nicht gar durch beides
gleichzeitig. Die Steigerung der Einnahmen hätte in erster Linie die Erhöhung
des Pflegesatzes seitens der Krankenkassen zur Voraussetzung gehabt. Eine
Anhebung aber war momentan nicht möglich. So musste versucht werden, die
Ausgaben zu senken. Die Überprüfung der Löhne und Gehälter ergaben zwar in
einzelnen Fällen übertarifliche Zahlungen, doch der Versuch sie zu korrigieren
scheiterte an dem Prinzip der ,,Wahrung des Besitzstandes", d.h. einmal
zugestandene Löhne und Gehälter konnten nicht mehr reduziert werden. So
mussten in Ermangelung anderer Einsparungsmöglichkeiten zunächst alle
baulichen Maßnahmen ,gestoppt, Skonten durch Barzahlung ausgenützt und die
ganze Situation bis zur nächsten Pflegesatzerhöhung einfach
,,durchgestanden" werden.
Dazu gehörten seitens der wirtschaftlichen Leitung eiserne Nerven und das
Sichabfinden mit der enttäuschenden Tatsache, dass seitens des weltlichen
Personals eine Mithilfe durch Verzicht auf einen auch nur kleinen Teil der
Entlohnung oder eine, wenn auch noch so bescheidene Verlängerung der
Arbeitszeit eine finanzielle Erleichterung nicht zu er-
reichen war. Die vom Prokurator gehegte Erwartung, sein durch eigenen
Lohnverzicht lebt erwiesener Idealismus würde eine günstige Auswirkung auf die
Gefolgschaft haben, erwies sich als wirklichkeitsfremde Illusion, ja trug ihm
erbitterte Anfeindung ein. Die einzige richtige Konsequenz wäre für ihn der
Verzicht auf weitere Sanierungsbemühungen gewesen. Doch letztlich hing ja die
Zukunft dcr Benediktus-Schwester unzertrennlich mit dem Fortbestand des
Krankenhauses zusammen. Ihretwegen durfte die Flinte nicht ins Korn geworfen
werden. So hieß es sich über Wasser halten und durchstehen. Und es lohnte
sich! Wenn man das so knapp aussagt, muss vergessen werden, dass die Sorgen,
Intrigen und Bedrängnisse dem ,,Retter in der Not" fast das Leben gekostet
hätten. Die schweren Erkrankungen wären ihm erspart geblieben, wenn er an sich
gedacht hätte.
Durch eine straffe wirtschaftliche Führung gelang es, bald allen
laufenden Verbindlichkeiten gerecht zu werden und allmählich auch Überschüsse
zu erzielen, die es ermöglichten, auch Rückstände abzutragen. Ja auch die
Kredit bewirkt. Die hinzukommende Erhöhung des Pflegesatzes und die anhaltende
gute Belegung des Krankenhauses brachte schließlich einen neuen Frühling,
Sommer und Herbst in Form einer erneuten wirtschaftlichen Prosperität. 1969 war
die Existenz des Kinderkrankenhauses so weit gesichert, dass die Fortführung
kein Risiko mehr bedeutete.
Ein anderes Problem, das der Überalterung der Schwestern, wurde jetzt immer
fühlbarer. Nun musste von dieser Seite her die Notwendigkeit neuer Aktivitäten
erkannt werden. Die Benediktusschwestern mussten daran denken, die Trägerschaft
für das Krankenhaus abzugeben.
Auf der Suche nach einem neuen Träger hatte man Glück. Von den verschiedenen
Interessenten stiegen schließlich die Solanus-Schwestern - eine franziskanische
Ordensgemeinschaft mit dem Sitz in Landshut - ein und übernahmen ab Januar 1970
den Krankenhausbetrieb pachtweise. Damit war die Fortführung dieser
segensreichen Einrichtung im bisherigen Geiste gesichert und die
Benediktus-Schwestern konnten ruhigen Gewissens sich von der Trägerschaft
loslösen.
Die
Altersversorgung der Benediktus-Schwestern (1969-1973)
Dr. Aurnhammer hatte rechtzeitig Vorsorge für die Altersversorgung getroffen.
Er konnte ein von den Schwestern geführtes, aber unrentables Kinderheim in
einem bedeutenden bayerischen Kurort sehr günstig verkaufen und damit den Grund
zum Bau eines schwesterneigenen Altenheimes legen. Auch den Platz dafür hatte
er in klarer Vorausschau rechtzeitig erworben. Gestalt nahmen die nach und nach
herangereiften Pläne im Jahre 1969 an, als in Pasing ein Heim mit 6o Betten,
einem Appartement, einer Hauskapelle und großzügigen Gemeinschaftsräumen
entstand. Da die Schwestern jüngeren Alters im Kinderkankenhaus bis zu ihrer
Ruhestandsversetzung weiter arbeiten, bleibt etwa die Hälfte der Zimmer frei.
Sie stehen für Studentinnen an der nur 5 Minuten entfernten pädagogischen
Hochschule preisgünstig zur Verfügung und sind verständlicherweise sehr
begehrt. Auch hier hatte sich wieder Unternehmungslust mit wirtschaftlichem
Geschick verbunden.
So haben die alten Schwestern ein behagliches Heim mit bester Versorgung in gesunden und kranken Tagen als wohlverdienten Lohn für ein Opferleben im Dienste der Menschheit. Die angenehme Umwelt in einer ausgesprochenen Gartenlage sichert den alten Leutchen ausreichend Licht und Luft und - was ein Glücksfall für sich ist - die Gunst der Lage bringt mit den jungen studierenden Damen frisch sprudelndes Leben und viel sonniges Gemüt ins Haus. Die Schwestern erfahren so die Wahrheit des christlichen Glaubens.. ,,Gott verlässt die Seinen nicht" und ,,mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch gemessen werden".
Damit finanzielle Sorgen sie nicht mehr bedrücken, hält Dr. Aurnhammer noch schützend ,seine Hand über die wirtschaftliche Führung; ist doch das Haus St. Benedikt, das ihm als ehemaligem Benediktinerzögling, seinen Namen, seiner Entstehung und Zeitfolge nach das letzte und teuerste ,,Kind" von all den vielen Heimen, wo er ,,pater familias" sein durfte.
Ruhesitz
Er selbst hat zuletzt erst auch für seine alten Tage an sich
gedacht und 1973 in Eichstätt sich ein bescheidenes, aber hübsches Eigenheim
geschaffen, wo er in Zurückgezogenheit den Rest seines Lebens verbringen wird.
Er ,ist somit dorthin zurückgekehrt, von wo seine von ihm so hochverehrte
Mutter 1878 mit 18 Jahren ins Leben hinausgezogen ist und in Stopfenheim dann im
Mittelpunkt einer mit Kindern gesegneten Familie ein erfülltes Leben fand.
Vom Glück gewiss nicht verwöhnt, hatte sie doch die Freude, von jeglicher
Enttäuschung durch ihre Kinder verschont geblieben zu sein.
Glaube und Werke: Glaube ohne Werke tot.
Was hilft es, meine Brüder, Wenn einer sagt, dass
er Glaube habe, wenn er keine Werke hat? Kann etwa der Glaube ihn selig machen?
Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleider sind und Mangel leiden am
täglichen Unterhalte, und einer von euch sagt zu ihnen: Geht hin in Frieden,
wärmt euch und sättigt euch - ihr gebet ihnen aber nicht, was sie zum Leben
brauchen - was nützt es? Also auch der Glaube, wenn er keine Werke hat:
er ist tot für sich allein. Ja, da könnte einer sagen: Du hast Glauben, ich
habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne Werke, und ich will dir auch meinen
Werken meinen Glauben zeigen."
Jakobusbrief 2,14-2,19.
Ein Wort zur Berufsethik ist noch am Platz. Geistlichen, die mit Wirtschaft
oder Geld zu tun haben, unterschiebt man heuchlerischer- oder boshafterweise
gerne Mangel an ,,geistlicher" Gesinnung. Doch wer kann in dieser
idrdischen Welt ohne materielle Güter auskommen, wer - außer im Kloster - auf
persönliches Einkommen und Besitz verzichten? Sagt nicht schon der
heilige Augustinus, dass sogar zur Heiligkeit ein gewisses Minimum an ,irdischen
Wirtschaftsmitteln nötig sei?
Und wer fremdes Gut verwaltet, hat die sittliche Pflicht, das nach bestem Wissen
und Gewissen zu tun. Während man über sein Eigentum frei verfügen kann, - und
Dr. Aurhammer tat es in reichlichem Maß ohne Aufsehens zu machen nach dem
Schriftwort: ,,Wenn du spendest, soll die linke nicht wissen, was die rechte
tut" (Mt 6,3). - Sind einem in der Verwaltung fremden Gutes klare Schranken
gesetzt; und wer unter Respektierung derselben über das ihm Anvertraute als
getreuer Verwalter verfügt und sich hütet, mit fremdem Gut sich Freunde zu
verschaffen, steht moralisch weit höher als der, der auf fremde Kosten den
Mäcenas spielt. Eine Maxime, die Dr. Aurnhammer allzeit mit selbstloser Strenge
heilig gehalten hat. Wenn er dafür nicht immer Verständnis fand und ihn
gelegentlich auch die Kritik zu ungerecht traf, tröstete ihn ein Gedicht eines
seiner Schüler, der ihm in Kenntnis dieser Zusammenhänge ein Goethewort
zusandte, das ,ihm manchmal in den Sinn gekommen sein mag:
Wir reiten in die Kreuz und Quer nach
Freuden und Geschäften,
doch immer kläfft es hinterher und hellt aus allen Kräften.
So will der Spitz aus unserm Stall uns immerfort begleiten,
und seines Bellens lauter Schall beweist nur, dass wir reiten.
Jeder, der den Menschen und den Geistlichen Dr. Aurnhammer kannte und kennt, weiß, dass Gewissenhaftigkeit in der Verwaltung des ihm anvertrauten fremden Gutes, der Stiftungsmittel, der Erlöse geglückter Verkäufe ihm ein hohes Anliegen war und ist. Wenn er eine Kraft manchmal zu kühn, zu selbstlos in die Waagschale geworfen hat, dann war es seine geistige und körperliche Belastbarkeit, gegen die er verstoßen haben mag, eine Überforderung seiner Tatkraft, die ihn in den Jahren der Sanierung der Laehnerklinik um ein Haar das Leben gekostet hätte.
Glückwunschbrief zum 70.Geburtstag am 14. Juni 1966
Sehr verehrter, lieber Herr Direktor!
Zu Ihrem siebzigsten Geburtstag seien Ihnen die allerherzliebsten Glück- und
Segenswünsche zum Ausdruck gebracht. Mag Ihnen der Herr weiterhin Gesundheit,
Freude an Ihrer unermüdlichen Arbeit für die Jugend und weiter auch stetgen
Erfolg in Ihrem rastlosen Bemühen um sein Reich gewähren!
Der Jubiläumsgeburtstag lässt uns mit Ihnen Rückschau halten auf die
erfüllten Jahrzehnte Ihres Schaffens und Wirkens
- allen langwierigen und oft so unverhofft gekommenen Mühen und Schwierigkeiten
zum Trotz.
Heute vor fast zwanzig Jahren betraten Sie den steinigen Ackerboden
,,Neuburg", aus dem so viele Jahre lang in fruchtbaren Saaten eine Absolvia
um die andere herangewachsen ist. Und vor genau 15 Jahren - 1951 - konnten Sie
die Renovierung des Seminars abschließen, vor genau 10 Jahren -1956 - wurde das
Jakob-Balde-Haus fertig, Meilensteine auf Ihrem Schaffensweg zum Wohl und Segen
für die Jugend, die Sie stets in der vielfältigsten Weise gefördert,
ermuntert, unterstützt und angeregt haben, wohl wissend, dass in diesem
höchsten Gut eines Volkes die Hoffnung von heute, die Zukunft von morgen
beschlossen liegt und dass alles, was an gutem Geiste in diese jungen Herzen
gesenkt wird, irgendwann einmal in der fernen Zukunft und noch lange über Ihren
persönlichen Einflussbereich hinaus Frucht bringen werde in Geduld.
Denn mag auch mancher längst vergessen haben, was er Ihnen und Ihrem Werk an
Dank schulden mag, so -ist doch Ihr Studienseminar, Ihr Balde-Haus der Rahmen
und der schützende, anregende und befruchtende Umkreis gewesen, indem die
entscheidenden Impulse und Kräfte aller jener jungen Menschen sich formten und
ordneten, sich festigten und reiften, die sich dem christlichen Humanismus
Neuburger Prägung - speziell in den Reihen der Seminaristen - verpflichtet
fühlen und dieser Geist, zu Ihrer Freude sei's gesagt, begegnet einem immer
aufs neue unverkennbar, sobald man auf einen Neuburger Gefährten trifft, wohin
immer ihn der Lebensweg verschlagen haben mag.
Ich kenne und schätze aber, sehr verehrter Herr Direktor, Ihre persönliche
Bescheidenheit viel zu sehr, als dass ich nicht im Augenblick des Schreibens
deutlich spürte, wie Sie diese auf den ersten Blick allzu optimistische Deutung
der Ausflüsse Ihres Lebenswerkes auf die junge Generation bescheiden von Ihrer
Person abwehren möchten, wenn Sie das lesen. Aber längst sind alle jene
Kräfte und Mächte, deren Keim in jungen Herzen sowohl durch Ihr persönliches
Wirken wie durch die Leistungen und äußeren Bedingungen Ihres Aufbauwerkes in
Neuburg und München und anderswo sich entfaltet und gefügt haben, über Sie
selbst hinausgewachsen, der Samen in alle Lande verstreut und so wird Ihr Werk
und Wirken wie ein ,,Ktäma eis aei" (Besitz für immer) über die
Schicksale von uns Einzelnen und über die Zeiten hinwegdauern als ein
Lebenswerk, das noch einmal in selten gerundeter Größe Ihre eigene Lebensthese
von wahrhaft realistischer christlicher Modernität beweist und Ihr Leitmotiv in
fide et scientia vis vitae dauerhaft und glaubwürdig über die Zeitläufe
trägt und es, nicht nur im Stein der Stiftungsbauten, sondern mehr noch
trotz einer zerfallenden pluralistischen Wohlstandsgesellschaft, die in
den scheinbaren Triumphen ihrer scientia vermessen auf Gott verzichten zu
können wähnt - als ein gerade heute so notwendiges und - wie Sie selber
bewiesen haben, verwirklichbares christlich-humanes Lebensideal unter Beweis
stellt, welches in geradezu barocker Lebenskraft das Diesseits mit dem Jenseits
zu fruchtbarer Einheit sich durchdringen lässt und verbindet.
So wurde eine unpathetische Christlichkeit, wie Sie selbst sie uns vorgelebt
haben, keineswegs zu wirklichkeitsfremder Schwärmerei und Frömmelei,
sondern Sie selbst haben uns gezeigt - und ich sehe Sie noch heue mit dem
Brevier in der Hand die Studiersaalaufsicht führen und das Kartoffelklauben
überwachen - wie sich das Reich Gottes auf dieser seiner Welt, die uns sein
Geheiß uns untertan zu machen gebot,
wahrhaft verwirklichen lässt. Denn Glaube und Wissen um das Diesseits sind eben
nicht gespaltene und unvereinbare Realitäten, sondern - und so habe ich Ihren
Grundsatz bewusst in der Festschrift übersetzt: Glaube und Wissen zusammen
ergehen erst die Quelle des Lebens.
Diese kraftvolle Verbindung des Spannungsbogens zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Gottes schöner aber diesseitiger Welt und dem verheißenden Leben über ihr und über sie hinaus ist mir immer von derselben ursprünglichen Kraft katholischer Weltdurchdringung geprägt erschienen, wie sie sich in der Zeit der Gegenreformation in der irdisch-frommen Pracht der barocken Geisteshaltung, barocker Kirchen, Paläste und Klöster in unglaublicher Macht und Größe manifestierte. Gleichsam wie einer der bayerischen Kirchenfürsten, wie sie Hubensteiner beschreibt, sind Sie mir oft erschienen, der nicht nur die Seelen seiner Gläubigen, sondern auch ihre irdischen Bedürfnisse umsorgt. Denn eben der Barock hat die Welt, mit ihrer irdischen Schönheit, nicht mehr geleugnet, sondern als Beweis des Jenseits ,in den Dienst Gottes ,gestellt, in dem die Überhöhung des Irdischen als von der Erde aufsteigendes Lob Gottes im Letzten wieder auf IHN als den Ausgangspunkt und Ursprung aller Dinge zurückweist.
Und wessen bedürfte unser zerfallendes, in tausend Einzelkenntnissen
zerrissenes, von den qualvollsten Zweifeln an der Existenz Gottes seit seinem
Erlösungswerk vor 2000 Jahren am heftigsten geschütteltes Jahrhundert mehr,
was bräuchte eine zwischen häretischen Sekten und allen zivilisatorischen
Götzenkulten (Massenmedien, Filmstars, Sportfanatismus, Wahrsagerei und
Wundertäterwahn) einerseits und von einer mörderischen Genusssucht, von
alimentären, optischen und erotischen Orgien andererseits zerrüttete und bis
ins Mark zerfressene Wohlstandsgesellschaft mehr als eines Beispiels, der Tat
eines Einzelnen, eines fleißigen, unerschütterlichen Mannes, der in aller
Stille und Bescheidenheit die Hand an den Pflug legt ohne zurückzuschauen und
hingeht und mit seinem Wirken und Tun uns allen zeigt, dass man inmitten dieser
Welt mit allen ihren Kräften und Gefahren so Stück vom Reiche Gottes mit eben
den irdischen Mitteln der Welt, mit Geld und Recht und Plan und Verhandlung
verwirklichen und mit allen Möglichkeiten des Diesseits den Auftrag des Ewigen
in diese Weit hineinbauen kann. Und nicht allein der Glaube, fernab ,im stillen
Gebetskämmerlein
- nein auch die Werke und gerade auch die Werke rechtfertigen den Menschen.
So wünsche ich Ihnen denn, lieber und sehr verehrter Herr Direktor, noch viele
Jahre Kraft und Gesundheit und Zuversicht, um an diesem Ihrem Werk für die
Jugend Stück um Stück weiter tätig sein, weiterzuwirken und weiterbauen zu
dürfen und zu können, an dem Sie nicht für sich und zu Ihrem Ruhme - wir
wissen es alle -, sondern zu Gottes höherer Ehre sich ein langes mühseliges
Lehen lang angestrengt haben.
Dennoch: Der heilige Paulus sagt es im zweiten Timotheusbrief und in der Decke
unserer Studienkirche St. Ursula steht es geschrieben:
Nisi legitime certaverit
non coronatur.
Es grüßt Sie für heute und wie immer sehr herzlich Ihr
Toni Griebsch.
Gespräch zwischen
Herrn Direktor Dr. Aurnhammer und Dr. Griebsch, welches am Sonntag, den 23. 5.
1976 in Eichstätt anlässlich des bevorstehenden Geburtstages am 14. 6. 1976
stattfand.
G:Lieber und verehrter Herr Direktor, ich habe als ein Schüler von Ihnen, der Sie schon bald 30 Jahre kennt, gern die Gelegenheit wahrgenommen, Sie hier in Eichstätt zu besuchen, weil ich weiß, dass Sie in wenigen Wochen, am 14. Jun, Ihren 8o. Jubiläumsgeburtstag feiern. Ich freue mich, dass ich dies zum Anlass nehmen kann, um Ihnen über einige Stationen aus Ihrem sehr erfüllten und erfolgreichem Leben ein paar Fragen zu stellen, die manche Ihrer vielen Freunde, Verwandte und Schüler an Ihrem Jubiläumsgeburtstag bewegen mögen. So möchte ich Sie als erstes vorweg fragen, welches Gefühl man hat, wenn man nach einem so ereignisreichen Leben auf die verschiedenen Lebensabschnitte zurückblickt und welche Stimmung in einem aufkommt, wenn man diesen Rückblick hält.
A: Zunächst einmal ist man von Dank erfüllt gegenüber dem Herrgott. Ich hätte nie gedacht, dass ich alles so gut überstehe bei den vielen Strapazen, die ich durchgemacht habe, denn es gab auch viele Aufregungen im Beruf nicht im geistlichen Beruf) sondern gerade in der Verwaltung des Studienseminars Neuburg im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundbesitz für die Stiftung. Dabei gab es einige Schwierigkeiten auch nachträglich noch. Ich freue mich, dass mich trotz dieser Aufregung und dieses Einsatzes Erfolg und Gesundheit begleiteten. Meinen Einsatz habe ich als selbstverständlich empfunden, Ich wollte nämlich meinen Leuten, im Seminar speziell, ein Beispiel geben und damit ihnen zeigen, dass ich nichts von ihnen verlange, was ich nicht selbst geleistet habe. Denn bei meinen Amtern war ich nie etwa wie ein Beamter im Dienst, sondern ich hab' mich gefühlt als der ,,erste Arbeiter", gerade ich in der Stiftungsverwaltung. Ich habe auch stets aus dieser Einstellung heraus gehandelt. Und heute bin ich dankbar, dass ich trotz dieser schweren Aufgaben ziemlich rüstig ein so hohes Alter erreicht habe. Ich denke oft mit innerer Freude daran, wie die Hausmutter, Frau Dorn, mich immer warnen wollte, wenn sie glaubte, dass ich mich übernehme wie sie immer nur gerufen hat: ,,Achtzig, achtzig" - Adenauer war damals achtzig Jahre geworden. Und sie hat mir immer sein Alter als Mahnung zugerufen und da hab' ich gelächelt und hab' gedacht: ,,Nun ja, das ist ein frommer Wunsch!" Dass ich dann tatsächlich 80 Jahre alt geworden bin, ist für mich eine umso erfreulichere Überraschung und sicherlich auch für die Hausmutter, die ja das gerade als das erstrebenswerte Ziel angesehen hat. Und so hin ich Gott dankbar, dass er mir dieses Alter in weitgehender Gesundheit geschenkt hat. Auch meiner Mitarbeiter, die mich unterstützt haben, muss ich dankbar gedenken. Das war in Neuburg mit meinen Mitarbeitern ein sehr schönes Verhältnis; man hat zusammengearbeitet, man hat nicht kleinlich gerechnet, ob die Arbeitszeit nicht schon zu Ende wäre, man hat sich mit einer gewissen inneren Freude der ganzen Sache gewidmet; und diese Mitarbeiter haben dann eben auch diesn Erfolg, den ich schließliech erreicht habe, mitbegründet.
G:Es ist also eine Art Gefühl der Dankbarkeit, trotz der Schwere und der Last der Dinge, die auf Ihren Schultern geruht haben; Dankbarkeit ist ja ein Gefühl und da drängt sich mir eigentlich schon die zweite Frage auf, die etwas schwierig klingt: Glauben Sie, dass der Mensch rein gefühlsmäßig in seiner Lebensführung Dinge vollzieht, die letztlich eine Antwort auf die Eindrücke in seiner Jugend sind, dass also - um mit anderen Worten zu sprechen: glauben Sie an die Kraft der Erziehung auf den Menschen oder sehen Sie den Menschen doch mehr als ein Geschöpf an, das Ietztlich den Fügungen; des Schicksals unterworfen ist und sich mehr oder wendiger diesem fügen muss.
A:Aus meiner Sicht gesehen muss ich sagen,
dass ich all' dies der Wirkung meiner Jugend zu verdanken - habe! Meine Mutter
war hineingeworfen durch ein seht trauriges Schicksal in den ganzen Kampf und
Ernst des Lebens und sie war mir mein Leben lang ein Vorbild. Diese Frau hat
sich so eingesetzt, dass ich sie bewundere, solang ich nur lebe, und das was sie
,,geschaffen" hat aus dem Bestreben heraus für die Familie. Diese hat sie
nach dem Tod des Vaters, schon mit 36 Jahren auf sich allein gestellt durch's
Leben führen müssen. Und da musste ich, auch als Kind (und alle wir Kinder
mussten) schon mithelfen, sobald wir konnten: denn die Mutter stand allein auf
weiter Flur, und das, was ich da ,,musste", dieser Einsatz - für die Sache
zunächst, aber auch letzten Endes für die ganze Familie -, das hat mich so
geformt, dass ich es nie anders wusste, als eben meine ganze Kraft, wo immer ich
bin, zu geben für die Sache, die mir aufgetragen ist.
G:Damit haben Sie eigentlich die nächste
Frage, die ich etwas präziser stellcn wollte, schon beantwortet, nämlich:
Sie haben ja, wie Sie vorhin anführten, in Ihrer frühesten Jugend, ich glaube
Sie waren wenige Jahre alt, Ihren Vater verloren und die Härte der
wirtschaftlichen Verhältnisse früh empfunden.
A:Da war ich, wie ich den Vater verloren habe, ein Jahr alt: 1896 bin ich geboren, 1897 ist er gestorben.
G: Sie waren ein Jahr alt. Und ich habe bei der Betrachtung Ihres Lebenslaufes auch den Eindruck, dass dieser Sinn für das Reale, für die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, auch für die Sparsamkeit, aber auch dieses ,,sich einsetzen für etwas", dass das von diesen strengen Jahren der Kindheit und Jugend her mitgeprägt war. Nun ist der Verlust des Vaters - und hier kann ich Ihnen vieles nachfühlen, ich habe meinen Vater ja auch jung verloren, wenn auch nicht so jung - es ist ein sehr entscheidender Punkt im Leben eines Mannes und hier kommen die Analogien ein bisschen zum Tragen: ich habe ja in Ihnen nach dem Tod meines Vaters immer auch in gewisser Weise eine Vaterfigur gesehen. Glauben Sie, dass für Sie damals auch der Glaube oder die religiöse Bindung, vielleicht sogar die Berufung zum Priester in etwa im ,,Raum" war, der Sie irgendwie über diesen Verlust hinweggetröstet hat und Ihnen dabei geholfen hat mit dem Verlust fertig zu werden. Glauben Sie, dass da ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen besteht?
A:Als Verlust habe ich das nicht
empfunden, weil ich ja noch zu jung war; ich habe den Vater ja nicht mehr
gekannt (mit einem Jahr) und deshalb keine Erinnerung. Aber dafür stand die
Mutter sozusagen als die ,,Repräsentantin der Elternschaft" vor mir und
was sie mir gezeigt hat in ihrem Leben, an Glauben auch, hat mich geformt; sie
war kein bigottischer Mensch, eher ein sehr nüchterner Mensch, aber einer, der
an Gott fest glaubte und der vertraute auf Gott. Und daraus hat sie ja die Kraft
geschöpft, das alles zu meistern und das hat sicher auf mich stark abgefärbt.
Meine Mutter war immer mein Vorbild, nachdem ich ,den Vater selbst nicht mehr
kannte. Und wenn ich Priester geworden bin, so hatte das folgenden Grund: Durch
den Krieg war ich an unserer Zeit schwankend geworden, durch den Umsturz und die
Revolution. Für mich war ,,Thron und Altar" eine Synthese, die nicht zu
trennen war und wie nun die Throne gestürzt sind, bin ich sehr skeptisch
geworden, ob nicht auch die Altäre in Mitleidenschaft gezogen werden und
bedroht sind. Da war ich dann nachdenklich geworden und schließlich wurde ich
umgestimmt durch die Mission in München, eine große aufwühlende Volksmission
mit ungeheuerlicher Beteiligung und ich hab' mich dann entschlossen, Geistlicher
zu werden.
G:Beruf und Berufung, das sind die Stichworte für eine Frage, die sich gleich daran anknüpft. Sie sind ja sicher einer der seltenen Fälle einer echten Doppelbegabung oder Doppelberufung und man weiß, wenn man Ihr Lebenswerk anschaut und wenn man Ihre Biographie betrachtet, eigentlich nie ganz genau eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Sie haben vielleicht am besten durch Ihre Persönlichkeit gezeigt, dass man die beiden Dinge verbinden kann, auf der einen Seite die fast unglaubliche Begabung in wirtschaftlichen Dingen und auf der anderen Seite die Berufung zum Priester. Gibt es Augenblicke in Ihrem Lehen, wo Sie dieses Nebeneinander als Konflikt empfunden haben oder hat Sie es nicht gerade besonders gereizt, den Wirtschaft1er in den Dienst des Theologen zu stellen?
A:Konfliktsituationen habe ich nie gehabt, diesbezüglich. Ich hab' mir vorgestellt, wie ich geweiht worden bin, dass ich ein gewöhnlicher Landpfarrer werde. Ich habe keine Ambitionen gehabt, Gott weiß was anzustreben und es hat sich dann alles fast von selbst so ergeben. Mein Studium hatte ich auf wirtschaftlichem Gebiete schon abgeschlossen. Und nun hat es sich gefügt, dass mich die Hansa-Heime brauchten, die in München durch den Kaufmännischen Verein Hansa gebaut worden waren unter der Federführung von Generaldirektor Adam, einem vornehmen und vorbildlichen Priester; dort wurde ich nun nachdem ich in diesen Kreisen bekannt war, für die Sanierung der Hansa-Heime engagiert. Und damit kam ich dann hinein in einen Lebensbereich, wo ich meine wirtschaftlichen Veranlagungen, die ich auch von meiner Mutter geerbt habe, wie die Sparsamkeit und Zielstrebigkeit und dann auch die erworbene theoretische Ausbildung verwerten konnte. Und dadurch habe ich die schöne Synthese gehabt: hier wirtschaftlich arbeiten für die Anstalt und dort wiederum als Geistlicher auch auf pädagogischem Gebiet wirken, ich war gleichzeitig auch Heimleiter mit jungen Leuten unter mir, so dass ich mich auch auf diesem Gebiet betätigen konnte. Diese Doppelaufgabe hat sich so aus dieser Situation heraus ergeben. Und das hat dann durch' s ganze Leben so weitergeführt, der Faden hat sich weitergesponnen. Dann kam ich von ,den Hansa-Heimen nur weg durch die politische Situation des Nationalsozialismus, so dass ich als Religionslehrer ans Gymnasium durch das Wohlwollen eines Ministerialbeamten berufen wurde. Schließlich kam ich nach Neuburg, wo wieder eine solche Situation vorlag, wo wirtschaftlich alles darniederlag, pädagogisch auch, ,durch den Krieg, nachdem ja nur noch Reste der Internatsräume vorhanden waren, wo ich dann wiederum beide Fähigkeiten und Aufträge in harmonischer Weise weiter zum Tragen und zur Ausführung bringen konnte.
G:Neuburg war sicher von den vier wirtschaftlichen Führungspositionen die schwierigste und auch die zeitlich in eine, Zusammenhang am längsten, nämlich 15 Jahre dauernde Aufgabe. Sie haben die Hansa-Heime erwähnt, wenn wir in die Biographie weiter hinausblicken, in die späteren Jahre, schließt sich dann an Neuburg noch einmal der Auftrag bei den Ursulinen an, der ja auch mit wirtschaftlichen Dingen eng verknüpft war und die Sanierung der Lachner-Klinik; und der Bau eines Heims für die Benediktus-Schwestern ist ja wieder eine solche Doppelberufung, wenn Sie so wollen. Ich möchte aber doch bei Neuburg, als dem eigentlich tragenden Thema, noch einen Augenblick verweilen und Sie fragen, wie Sie sich heute zu dem Problem des Sinns oder des Vorteils von Internaten stellen - von Sparta bis Athen hat es ja immer solche Institutionen oder Institute gegeben und auch manche wissenschaftlichen Kommissionen bilden quasi einen Körper, der eine gewisse Eigengesetzlichkeit hat, wie eben Internate auch ihre Eigengesetzlichkeit haben. Meinen Sie nun, dass Internate nur dazu da sind zur Erziehung zur Selbständigkeit oder um zum Abschirmen einer gewissen ,,Reizüberflutung" von außen zu dienen, oder sehen Sie spezifische Kräfte am Werk, die in einem Internat im Menschen geweckt werden: glauben Sie nicht auch, dass Eigenschaften, z.B. Gemeinschaftssinn, Disziplin und fruchtbare geistige Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen weitere wichtige Elemente sind, die im Internat sehr stark zum Tragen kommen?
A:Ta, das letzte ist unbedingt zu bejahen, das ist das entscheidende Moment; und wie es die Erfahrung lehrt, wirkt sich eine Internatserziehung auch dahin aus. Wenn ich diese Studentengemeinschaft betrachte, besonders die Neuburger Studiengenossenschaft etwa, so stelle ,ich fest, dass es überwiegend dort Seminaristen sind, die im Leben ,in führenden Positionen stehen. Und das ist nur durch diese Art der Erziehung selbstverständlich. In der Schule, da ist man in der Klasse beisammen während der Unterrichtszeit, geht auseinander und verliert sich damit wieder in gewissem Sinn. Dagegen ist im Seminar durch das Heranwachsen in entscheidenden Jugendjahren, ich möchte fast sagen, ,im wichtigsten Lebensjahrzehnt des Menschen, ,in einer solchen Gemeinschaft doch eine Art Zement gegeben, ein Element des gemeinsamen Erlebens, das so stark bindet, dass man es nicht mehr abstreifen kann. Auch wenn man hinauskommt ins Leben, wird man sich immer an diese Jugendzeit erinnern, die man in dieser Großfamilie, wie sie ein Seminar sein soll, erlebt hat. Und deswegen halte ich den Fortbestand von solchen Instituten, Erziehungsinstituten oder Internaten, als sehr wünschenswert, wenn sehr oft auch gegen dieselben quergeschossen wird und man ,gern ihre Bedeutung oder auch ihre Erfolgsaussichten abwertet. Das ist aber ein Zerrbild, das da geweckt wird, ,in Wirklichkeit sind sehr viele positive Werte festzustellen. Nun ist es heute sehr schwierig geworden, Internate weiterzuführen, dadurch, dassast alle 20 km bereits eine Vollanstalt ist mit einem ,,Gymnasium", somit ist es sehr schwierig geworden, die Seminare zu ,,bevölkern". Denn früher kamen sehr viele begabte junge Burschen ins Seminar, deren Eltern irgendwo abgelegen lebten, sagen wir einmal im Forstwesen oder in einer Landwirtschaft draußen, ganz weit entfernt von der nächsten höheren Lehranstalt; dann kamen auch viele aus Großstädten, wo die Wohnverhältnisse vielleicht noch manchmal etwas prekär waren, während heute all diese Gründe wegfallen und Seminare ziemliche Nachwuchsschwierikeiten haben.
G:Wir leben in einer Zeit ,des Umbruchs. Die Großfamilie, für die ja das Internat quasi ein Pendant ist, die Großfamilie ist tot und das Internat hat Schwierigkeiten, dassan junge Leute findet, die es wert sind, ~durch Stiftungsmittel gefördert zu werden oder überhaupt, es ist schwer geworden, Nachwuchs für ein Internat zu finden, Es ist aber nocheine andere Institution in Gefahr und zwar schon in sehr prekärer Gefahr, an die wir, meine ich, beide sehr glauben: es ist ,das humanistische Gymnasium; die humanistische Bildung ist bedroht und wenn man die Zahlen sich in Neuburg jetzt anschaut, ist das Internat ja nur sehr gering besetzt gegenüber früheren Zeiten mit über 200 Schülern und auch die Zahl der Gymnasiasten alter Prägung ist im Schwinden begriffen. Ich habe jetzt eben gehört, dass es auch in München mit Einführung der Kollegstufe nur noch in einem oder wenigen Gymnasien möglich ist, den ganzen humanistischen Zug aufrecht zu erhalten. Glauben Sie, dass unsere Zeit für das humanistische Bildungs-Ideal keinen Sinn mehr hat oder glauben Sie, dass dieses Ideal veraltet ist und dass wir uns von ihm lösen sollten?
A:Eines, glaube ich, steht fest, dass unsere heutige Zeit viel zu stark materialistisch geprägt ist und in allem nur auf den Vorteil des Lebens ,schaut, d.h. wie kann man das Leben schöner und ,einträglicher gestalten. In dieser Zeit hat es das ,Gymnasium mit seinen Idealen schwer, das nicht eben nur für den Gelderwerb oder für eine möglichst gesicherte berufliche Zukunft sorgen soll, sondern weil das Gymnasium Bildung auch im Bereich von Allgemeinbildung und Charakterbildung vermitteln soll. Das ist heutzutage. sehr in Frage gestellt bei dem geringen Interesse an wahrer Bildung, eine Einstellung, die heute im Zeitalter der Spezialisierung allenthalben verbreitet ist. Man ist eben heute nur noch auf die berufliche Absicherung und soziale Sicherheit bedacht. Das geht schon im Berufsleben an, wo junge Leute gleich möglichst viel verdienen wollen, um damit später eine sehr gute ,,Rente" zu erzielen. Da zeigt sich ganz deutlich der Zug der Zeit gegenüber früher, wo man an das gar nicht in erster Linie gedacht hat. Vor 50 Jahren hat kein Mensch gefragt ,,Was krieg' ich da einmal Rente, wenn ich heute 25.- Mark als Hausangestellte auf die Hand bekomme?". Heute würde das niemand, teilweise freilich zu recht, mehr machen. Da zeigt sich aber Sicherheits- und Rentabilitätsdenken als bezeichnender Zug der Zeit. Vor diesem Hintergrund gebe ,ich dem humanistischen Gymnasium leider sehr wenig Chancen. Es sind Kinder aus vielleicht hochgebildeten Familien, die Bildung als einer Ausstattung für das Leben noch einen Wert beimessen, die ihre Kinder vielleicht noch aufs humanistische Gymnasium geben, soweit die Begabung vorhanden ist; denn ich glaube, dass dieser Typ des Gymnasiums mit seinen drei Fremdsprachen, davon zwei zwar toten, aber die ganze Fülle humanistischer Bildung mit sich führenden auch heute noch die höchsten Anforderungen unter den verschiedenen Typen unsres Schulwesens stellt.
G:Wir kommen zum Schluß dieses kleinen Gesprächs und ,ch möchte Sie abschließend fragen, wenn Sie nun über all' diese Jahre zurückblicken und zurückdenken an die Zeit, wo Sie die Hansa-Heime saniert haben, die Zeit als Religionslehrer, die Zeit im Krieg, die Zeit des Wiederaufbaus ,des Studienseminars, die gewaltige Ausweitung der Stiftung über die drei Städte Regensburg, Augsburg und München, die Zeit der anschließenden Tätigkeiten bei den Ursulinen, bei der Lachnerklinik und bei den Benediktus-Schwestern. Wenn Sie über das alles jetzt so hinwegblicken, erwachsen aus diesen Erlebnissen, Erfahrungen und Erfolgen noch ganz spezielle Wünsche an die Zukunft und an die nächsten Jahre, in denen Sie jetzt auch einmal an sich ,denken können, etwa auch Ihre Gesundheit pflegen und sorglos sich Ihrem ,,otium cum dignitate" zuwenden können?
A:Nein, Ambitionen für die Zukunft habe ich keine mehr, Ich habe bis ins Alter von 77 Jahren effektiv gearbeitet und nach dem 65. Lebensjahr durchaus noch große Aufgaben bewältigt, ,speziell für die Ursulinen und die Benediktus-Schwestern in München. Daher habe ich mir, als ich hierher nach Eichstätt gezogen bin, 1973, nach einer akuten, lebensgefährlichen plötzlichen Erkrankung, gesagt.. "So, jetzt schalte ,ich ab!" Ich ,habe das auch ,gemacht und ,habe mich dabei auch tatsächlich wieder erholt. Mein Leben ist also ausgeschöpft. Ich bin niemand was schuldig geblieben. ,,Ich habe", könnte ich mit Paulus sagen, ,,mehr gearbeitet als alle anderen." Nicht überheblich möchte ich das sagen, sondern es nur als das Gefühl innerer Erfüllung erwähnen und ,so habe ich eben zunehmend das Bewusstsein, mein Leben tatsächlich voll gelebt zu haben, nichts in dem versäumt zu haben, was mir an Aufgaben gestellt worden ist und das alles gründlich und mit jener mir von oben beschiedenen Ausdauer auf mich genommen zu haben, die mich immer hochgehalten hat, das Begonnene zu Ende zu führen. Und das ist jetzt meine Genugtuung im Alter, dass ich sage: ,,Gut, Gott sei es gedankt, das ist mir gelungen." Ich stand oft vor Problemen, wo ein anderer gesagt hätte, ,,Hände weg". Ich habe ,,ja" gesagt. Wie war's schwierig in Neuburg und noch mehr bei den Hansa-Heimen, die ja uferlos verloren waren, - Konkurs - und wo nichts dagewesen war wie Schulden. In Neuburg, da war trotz des Niedergangs und der chaotischen Verhältnisse eine Substanz da, der Stiftungsbesitz Wald und Feld, aber davon war in den Hansa-Heimen keine Spur und trotzdem ist es gelungen, sie zu sanieren und wieder zu einer bekannten großen katholischen Anstalt zu machen. Man hat mir abgeraten, aber ich habe erst recht ,,ja" gesagt. Das Seminar war zum Großteil Flüchtlingslager und die ganze Situation hat ganz hoffnungslos ausgeschaut. Das hat mich aber erst recht bestimmt und dazu bewogen, ,,ja" zu sagen und die Aufgabe zu übernehmen. Es war eine Sache, bei der wollte ich gerade einmal sehen, ob man das nicht wieder hochbringen kann. Mit diesem mutigen, vielleicht auch etwas ehrgeizigen Entschluss, bin ich hingegangen und - es ist mir gelungen! Schlimm war es auch mit den Benediktus-Schwestern in München in dem Kinderkrankenhaus, denn das war wirklich auch konkursreif. Es gab horrende Schulden und nichts an flüssigen Mitteln. Ich hätte ohne weiteres als Prokurator, als welcher ich bestellt wurde, sofort den Konkurs anmelden können. Aber das wollte ich nicht. Ich habe mir gesagt, gut, es sind immerhin 40 Schwestern da, wenn die alle mitarbeiten und zwar im Gemeinschaftsgeist, dann muss es gehen! Und das hat mich auch hier bewogen, ,,ja" zu sagen. Es ist auch gelungen. Und das ist nun meine Genugtuung, um es noch einmal zu sagen, dass all' diese schwierigen Probleme gelungen sind und ich am Ende sagen muss, ,,Gott sei Dank", ich bin am Ziel glücklich angelangt! Nun habe ich nur noch den Wunsch, dass mein Wirken auch vor Gott bestehen kann und allen, mit denen ich dadurch in Verbindung kam - der Jugend und den Mitschaffenden zum Segen gereiche!
G: Lieber Herr Direktor, ich danke Ihnen
für dieses Gespräch!