Philipp Aurnhammer

ich möchte hier an dieser Stelle immer mal wieder einen "Aurnhammer" persönlich vorstellen.
Philipp Aurnhammer war ein sehr bemerkenswerter Mensch: 

* 14. Juni 1896 / + 13.Dezember 1981

 

Aus dem Lebenslauf eines tatkräftigen Idealisten

Ein Rückblick auf

80 Jahre

des schaffenden Lebens

von

Dr. Philipp Aurnhammer

 

Zusammengestellt und durch autobiographische Fragmente
angereichert in gemeinsamer freundschaftlicher
Zusammenarbeit von seinen ihm seit 28 Jahren

verbundenen Wegbegleitern

A. Griebsch und Th. Dorn

und ihm und allen Freunden, Verwandten und Schülern

Mitarbeitern und Zeitgenossen überreicht

zum 80. Geburtstag am 14. Juni 1976

München und Mindelheim
im Frühjahr 1976

Nisi legitime certaverit non coronatur

"Nur der erreicht des Lebens Krone,
der gerecht im Kampf gerungen hat.
Timotheos II/2/5

Inschrift an der Decke der Seminarkirche Neuburg

Aus dem Inhalt

Einleitung

bulletDer äußere Lebenslauf bis zur Berufung als Stiftungsdirektor  1947
Die Kindheit 1896-1908
Die Schulzeit 1908-1915
Die Militärzeit 1915-1919
Freikorps-lntermezzo
Hochschulstudium 1918-1924
Seelsorger und Erzieher 1924-1934
Sanierung der Hansaheime
Im staatlichen Schuldienst 1934-1941
Zum zweitenmal in Uniform 1941-1945
bulletDirektor des Studienseminars Neuburg 1947
Stiftungs-Direktor - Erneuerung u. Ausbreitung 1947-62
Aus der Geschichte des Studienseminars 1505-1947
Aus Kriegswirren zur Hochblüte 1947-1962
Bilder aus dem Studienseminars Neuburg
,,Die Schätze der Könige"   Resume
bulletDer Ruhestand - Neue Aufgaben
Heimleiter und Hausgeistlicher 1963-1973
Prokurator der Lachnerklinik 1966-1970
Altersversorgung der Benediktusschwestern
bulletLebensabend und Ausblick
Wie ich ihn sah - Ein Brief
Das Interview

Einleitung

Am  14. Juni 1976 feierte ein ungewöhnlicher Mann seinen achtzigsten Geburtstag: Dr. oec. publ. Philipp Aurnhammer, Stiftungsdirektor i. R. und Geistlicher Rat. Aus diesem Anlass halten zwei ihm menschlich über viele Jahre hinweg freundschaftlich Verbundene, die beide ein gutes Stückt des Weges mit ihm gegangen sind, gemeinsamen Rückblick auf eine vita activa, einen Lebenslauf, für den jenes berühmte Jakobuswort geschrieben scheint, das da sagt:
nicht allein der Glaube, sondern die Werke rechtfertigen den Menschen.

Von Cornelius Nepos bis herauf zu Stefan Zweig, Robert v. Ranke-Graves  und  Marguerite Youcenar  haben Autoren mit beruflicher Feder gezeigt, wie sehr es glücken kann, eine Biographie aus Nähe oder Distanz zu gestalten. Solchem Anspruch kann ein kurzes curriculum vitae für unseren Jubilar nicht genügen, doch mag die menschliche Verknüpfung, die manchen Unterton weicher, dieses oder jenes Urteil subjektiver, die eine oder andere Einzelheit herzlicher geraten lässt, als es ein nüchtern-biographischer Referent darstellen würde, mag diese Verbundenheit auch etwas von der Reflexion, der Nachwirkung und der ganz spezifischen persönlichen Ausstrahlung jenes Dr. Aurnhammer fühlbar werden lassen, dessen flüchtige, oberflächliche Einschätzung gelegentlich - wie das Urteil über manchen Großen - ein Bild hätte entstehen lassen können, von dem Schiller sagt:,, durch der Parteien Hass und Gunst verstellt    , schwanke es durch die Geschichte.

Aber, geneigte Leser dieser Zeilen, Freunde, Bekannte, Verwandte, ehemalige Mitarbeiter und ihr zahlreiche Schüler, nehmt alles nur in allem: einen kämpferischen Menschen, der durch harte Kindheit und Jugend geprägt, nicht deformiert und doch gewappnet wurde, der seiner früh erkannten wirtschaftlichen Begabung ebenso wie einet spezifischen, dem Wohl der ihm Anvertrauten in fast beispiellosem Einsatz sich bewährender Zuwendung theologischer Zielsetzung eine - bei allem Kontrast - äußerst fruchtbare Verbindung zu geben verstand, der mit seinen Talenten gewuchert hat, aber alles ihm an scheinbar konträrer Veranlagung zugeteilte in einer tief christlichen und humanistischen und damit letztlich abendländischen heute verfallenden idealen Zielsetzung zu verwirklichen und zur Frucht zu bringen verstand und dem schließlich, vielleicht durch höhere Fügung, ein Erfolg seines Wirkens oder das, was man heute vulgo ,,fortune" nennt, nicht versagt geblieben ist, einem solchen kämpferisch tätigen und durch sein Wirken für die Jugend und den Glauben letzlich auch furchtbringendem Manne kann man Achtung, vielleicht Respekt nimmermehr versagen!

Einem, wie Dr. Aurnhammer, der geistlichen Welt des Glaubens verpflichteten und trotzdem in wirtschaftlich-irdischen Dingen tatkräftig um der guten Sache willen sich letztlich mit Segen von oben bewährenden und eine reiche Ernte seines Wirkens einbringenden Mann müssen auch Gegner die Selbstlosigkeit lassen, die Gleichgültigen können eine gewisse Bewunderung schwer verhehlen und alle die vielen - und es ist, ich bin zutiefst überzeugt,  eine manchmal vielleicht schweigende, aber insgesamt überwältigende Mehrheit von Freunden, Weggefährten, Schülern und Dankbaren oder von seinem Einsatz, seinem Können beeindruckten Zeitgenossen, die ihn gekannt und mancherlei - auch sehr gerne gehabt haben oder zu bewundern lernten -: alle diese vielen können ihm, und ich darf es an dieser Stelle in ihrer aller Namen aussprechen, heute zu seinem achtzigsten Geburtstag nur den Wunsch übermitteln, er möge ihren Glückwunsch zum Jubelgeburtstag - aus Dank, Bewunderung oder Hochachtung dargebracht - in der großen aber wie stets bei ihm geordneten Buchführung auf der Seite des Haben-Kontos verbuchen:

...denn über alles Glück geht doch der Freund,
der´s teilend mehrt ....
Der´s fühlend, erst erschafft" ...  ( Schiller)

Möge ihm der Rückblick auf ein erfülltes und erfolgreiches, ein in der Summe aber auch gelungenes Lehen dessen Wirken auch auf dieser Welt ein reiches Maß in Erfolg und Anerkennung zuteil wurde, mit jener heiteren Dankbarkeit füllen, die nur das lateinische Wort beatitudo ganz ausschöpft und die vielen von uns nie, selten oder zu spät zuteil wird So wünschen wir ihm ein optium cum dignitate - mögen ihm unsere guten Wünsche die nachdenklichen Stunden des Alterns ein wenig verklären und bereichern.

Der äußere Lebenslauf
bis zur Berufung
als Seminar und Stiftungsdirektor

KINDHEIT (1896-1908>

Geboren wurde Dr. Philipp Aurnhammer am 14. Juni 1896 im ehemaligen  Deutschordensritter-Dorf Stopfenheim, Kreis Weißenburg in Mittelfranken als 9. Kind der Baderseheleute Simon und Walburga Aurnhammer (geb. Herler). Seine Kindheit  entbehrte zwar jeglichen Hauchs irdischer Wohlfahrt, entfaltete sich aber in der sonnigen Wärme wohltuender mütterlicher Fürsorglichkeit. Schon 1897 starb der Vater und Ernährer der Familie an einer Lungenentzündung. Die ~Mutter stand nun mit den 10 Kindern im Alter von einem Viertel-Jahr bis zu 15 Jahren vor einer düsteren Zukunft. Kindergeld oder sonstige Unterstützung gab es damals nicht. Wie die Frau ihre Kinder durchbringen sollte, war ihre Sache. Statt zu verzweifeln und mutlos die Flinte in' s Korn zu werfen, stellte sich Frau Aurnhammer aus christlichem Glauben heraus dem auferlegten Schicksal und der ihr zugefallenen harten Aufgabe: In unermüdlichem Fleiß von früh bis abends mit eisernem willen und löwengleichem Mut kämpfte und sorgte sie für Ihre Kinder.

Eine kleine Landwirtschaft diente als Existenzbasis, erforderte aber auch die volle Arbeitskraft der Mutter und der älteren, heranwachsenden Kinder. Und sie schafften es! Das drohende Gespenst, auf die Hilfe der Gemeinde angewiesen zu sein, wurde aus eigener Kraft gebannt, - eine Leistung, die fast an ein Wunder grenzte! Kein Wunder aber war es, dass das Dorf und die eigenen Kinder dieser heldenmutigen Frau zeitlebens Achtung und Bewunderung zollten. Aber wollen wir an dieser Stelle zur Illustration der dörflichen Kindheit den Jubilar selbst mit einer kurzen Schilderung zu Wort kommen lassen:

Die Kindheit war geprägt von der liebenden Fürsorge einer Mutter, die für ihre zehn Kinder unermüdlich sich abplagte. Wenn Sie auf Grund ihrer wirtschaftlichen Lage ihnen auch nichts bieten konnte, was für Kinder wohlhabender Elteren selbstverständlich ist, so waren diese in der sonnigen Wärme einer guten, heldenhaften  Mutter doch glücklich und zufrieden.

Was verblieb da so einem Buben? Im Sommer: barfuß laufen, Reifen auf der Straße treiben, an Sonntagen, betreut vom Ortspfarrer mit anderen frohe Spiele, wie Sackhüpfen und mit den Kameraden allein des öfteren ,;Soldaten spielen" -typisch für die Zeit vor dem 1. Weltkrieg. ,Mit einem Dreispitz-Helm aus Papier und einem aus Holz selbst geschnitzten Schwert angetan, traf man sich zu kriegerischem Spiel, wobei im  "Schlachtengetümmel" auch Steine flogen und manche Fensterscheibe Klirrend zerbrach, freilich nicht ohne den schlechten Schützen mit Angst und Sorge ob der Restitutionspflicht erfüllend.
Zum kindlichen Spiel gesellte sich aber frühzeitig auch der Ernst des Lebens. Die Mutter ging früh zum Kleemähen. Der Bub musste mit Vieh und Wagen nachkommen. Nach Hause zurückgekehrt, gab es schnell Kaffee und dann eiligst zur Kirche, wo man als Ministrant pünktlich zur Messe da sein musste. Danach ging' s in die Schule, die, wie später das Studium gegenüber der früh geforderten Arbeit eher als Erholung, denn als Last empfunden wurde.

Der kleine Häftling

Ein Erlebnis prägte sich dem kleinen Philipp geradezu unauslöschlich ein. Es mag 1905 gewesen sein. Mit einem Schulkameraden dem Sohn des Dorflehrers, trieb er sich an einem heißen Sommertag im Dorf herum. Die Erwachsenen waren auf dem Feld. Die Schwester Kirn, im Dienst bei Graf Hirschberg in Lindau, war im Urlaub da und bei der großen Hitze in der kühlen Stube des elterlichen Hauses.

Es muss gegen 17 Uhr gewesen sein, da schickte der Lehrersbub Karl den Kameraden Philipp zum Maier, dem ortsansässigen Ladengeschäftinhaber, um ihm Zigaretten zu holen. Den Respekt vor dem Lehrer glaubte der Landbub auch dessen Sohn zollen zu müssen und er beeilte sich, den Auftrag ohne Zögern auszuführen.

Mutig betrat er den Laden. Die Ladenglocke läutete und der Herr Maier trat aus dem neben dem Laden liegenden Wohnzimmer.

Doch, o Schreck, ihm folgte der von den Kindern gefürchtete ,,Schandarm", wie damals die Landpolizisten hießen.

Vom Kaufmann gefragt, was er wolle, stotterte das Büblein nur ,,Zigaretten".
,,Was", fiel ihm, der Hüter des Gesetzes sofort in' s Wort und musterte den kleinen Delinquenten mit strengem Blick ,,Was, du rauchst schon?".

,,Die gehören ja nicht für mich, die muss ich für den Schlehaider Karl holen", war die mit zitternder Stimme erteilte Antwort.
,,So, dann holen wir uns den", sagte der Mann im grünen Rock und unverzüglich verließ er mit dem ,,Sünder" den Laden. Schlehaider schien aber den Braten gerochen zu haben und war verschwunden.
Jetzt ging ,die Suche nach ihm los. Der Gendarm spielte seine Rolle sehr gut und steigerte dadurch die Angst bei Philipp immer mehr. Er ging mit ihm die ,,Webergasse" hinauf. Umsonst'. Da meinte der Kleine: ,,Vielleicht ist er zum Weiher  hinausgelaufen."  Die  beiden  gingen  zum Weiher und auch da war der Auftraggeber nicht zu sehen. ,,So", sagte nach dieser ergebnislosen Fahndung ,der Gendarm, ,,jetzt gehst du heim, ziehst dein Sonntagsgwand an, setzt dich ans Fenster und paßt auf, wenn ich vorbeikomme, dann nehme ich dich mit ins Gefängnis, nachdem wir den Schlehaider nicht gefunden haben." Gesagt, getan. Mit schlotternden Knien betrat Philipp Hr.- Nr. 8, das Elternhaus, erzählt der Missetäter, das Opfer allzu großen Autoritätsglaubens nun selbst: ,,Ich ging ohne ein Wort zu sagen in mein Schlafgemach, nahm aus dem Kleiderschrank den bescheidenen Sonntagsanzug, zog ihn an und ging ,in die Stube, rückte einen Stuhl vor das Fenster, kniete mich darauf und starrte unentwegt zum Fenster hinaus, wo der Gendarm auf dem Rückweg zu seinem Dienstsitz Ellingen vorbeikommen mußte. Meine Schwester Klara saß am Tisch in der Ecke der Stube und beobachtete mich zunächst mit fragender Miene. Schließlich fragte sie mich über den Grund meines rätselhaften Verhaltens.
Mit Tränen gestand ich, ,,der Gendarm will mich ins Gefängnis mitnehmen, weil ich heim Maier Zigaretten kaufen wollte aber nicht für mich, sondern für den Schlehaider Karl Er hat gesagt, ich soll hier auf ihn warten, bis er vorbei kommt." Die Beichte war abgelegt, die Lossprechung aber noch nicht erfolgt. Im Gegenteil, die Vorstellung daß im Gefängnis Mäuse und Ratten nur so herumspringen wurden, quälte den potentiellen Häftling mehr, als es je die Vorstellung vom Fegfeuer hätte tun können.

Scheinbar empfand das frauliche Herz meiner Schwester mit dem ,,armen Sünder" doch Mitleid, denn ohne Zögern und das Lachen in bewundernswerter Selbstbeherrschung verhaltend, erklärte sie: ,,So, jetzt bleibst du da und ich schau nach dem Gendarm und leg' ein Wort für dich ein. Vielleicht kann ich dich frei bekommen."
Ein Hoffnungsstrahl! Das Herz pochte ruhiger, der Angstschweiß vertrocknete. Ich wartete noch gut eine Stunde. Kein Gendarm kam vorbei, aber meine Schwester kam endlich, sie hatte inzwischen die Mutter und Geschwister auf dem Feld verständigt - zurück und eröffnete mir, ich könne mich wieder ausziehen, diesmal käme ,ich noch mit einem blauen Auge davon, ich solle mich aber zu so etwas nie mehr verleiten lassen.
Und die Folge: auch von meinem Paten, dem 48 Jahre alten ,,Thut"' ließ ich mich nicht mehr bewegen, für ihn Zigaretten zu holen. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.
Und dem Gendarm ging ich vorsichtshalber noch einige Jahre lang aus dem Weg, aus kindlicher Angst, dass, wenn auch ich nicht rückfällig würde, er es werden könnte."

Im Jahre 1905 feierte Pater Petrus Wachter von St. Ottilien in Stopfenheim ,seine Primiz, ein Ereignis von nachhaltiger Wirkung. Drei Buben des Dorfes, darunter auch Bonifaz
Aurnhammer, der zwei Jahre ältere Bruder des kleinen Philipp, wurden zum Studium in das Missionsseminar St. Ottilien gebracht.

SCHULZEIT (1908 - 1915)

Drei Jahre später, 1908, wurde auch der Jüngere, unser Jubilar, für St. Ottilien bestimmt. Pater Basilius rang ihn der armen Wittfrau geradezu ab, aber er wusste auf der anderen Seite genau, dass er dem Buben für' s Leben einen entscheidend besseren Start geben konnte, als wenn er in seiner ländlichen Umwelt warten musste, bis sich für ihn irgendein Beruf
- jedenfalls ohne Studium - ergeben würde. Durch die Zusicherung eines Freiplatzes wurde der Mutter des 12-jährigen Buben eine ihrer vielen Sorgen abgenommen; die gebotene Möglichkeit für das begabte Kind mag Ihre Zusage erleichtert haben. Im September 1908 trat nun der kleine Seminarist Philipp nicht in St. Qttillien sondern in St Ludwig, in die erste Klasse des Missionsseminars ein. Ab der 4. Klasse zog er nach St. Ottilien, da die höheren Klassen dort geführt wurden. Aus der 8. Klasse berief ihn der Kriegsdienst ab. So erhielt er als Kriegsteilnehmer im Juli 1917, Wie allgemein"' üblich, das Reifezeugnis.

MILITÄRZEIT (1915 - 1919)

 

Am 20. Oktober 1915 rückte er zur Ersatz-Eskadron des kgl. bayer. 8. Chevauleger-Regiments in Dillingen ein. Wie die studierende Jugend ganz allgemein, war auch er von der Gerechtigkeit der ,,deutschen Sache" voll und ganz überzeugt. Die Zugehörigkeit zur Kavallerie erfüllte ihn zusätzlich mit Stolz. Seine monarchistische Gesinnung fand gerade bei dieser Waffengattung Nahrung und Vertiefung.  Bestürzt über den Ausgang des Krieges, ließ er sich jedoch in seiner politischen Überzeugung nicht beirren. Im Gegenteil!

ein Chevauleger


Als die Sendboten des ,,Brigade-Soldatenrates Augsburg" auch die Dillinger Garnison für das Einschwenken in die Phalanx roter Miliz gewinnen wollten, hat der junge Philipp Aurnhammer dafür gesorgt, dass ihre Werbeaktion vor versammelter Garnison (Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere, mit einem kläglichen Fiasko und einer verstohlenen Flucht aus Dillingen ,bei Nacht ,und Nebel endete. Nachdem er als Vizewachmeister der Kavallerie aus der bayerischen Armee ausgeschieden war, fand seine Militärzeit noch eine kurze Fortsetzung beim Freikorps Epp bzw. Wehrregiment München, in den turbulenten Monaten um die Jahreswende 1918/19. Später trat er dem Traditionsverband Bayer. Chevauleger bei, dessen Mitglieder bis heute sich einmal monatlich treffen.

FREIKORPS - INTERMEZZO

Nach der Befreiung Münchens blieben Teile der Freikorpsformationen zur Stabilisierung der wiedergewonnenen bürgerlichen Ordnung unter Waffen, so speziell Formationen aus Studenten. Diese besuchten von Montag bis Donnerstag die Vorlesungen und leisteten von Freitag bis Sonntag militärischen Dienst. Rangunterschiede gab es keine. Alle trugen die gleiche Uniform ohne Rangabzeichen und alle leisteten den gleichen Dienst, gleichviel ob einer im Krieg dem Offiziers-, Unteroffiziers- oder Mannschaftsstand angehörte.
Die Unterkunft hatten die Studenten in der St. Anna-Schule in München. Von Freitag auf Samstag schoben sie regelmäßig die Wache im ,,Cornelius-Gefängnis", wo die führenden Köpfe der Räterepublik in Gewahrsam waren und auf ihren Prozess warteten. Sehr klar erinnert sich unser ,,Soldat auf Zeit" daran, wie er den ,,Generalissimus" der roten Armee Toller, vom Gefängnis zur Gerichtsverhandlung in das Amtsgericht in der Au führen und wieder zurückbringen musste. Als militärischer Posten wohnte er der Verhandlung bei und war angenehm berührt von der humanen Art der Prozessführung. Toller erhielt lediglich Festungshaft, die er in Niederschönenfeld abbüßte. Danach huldigte er in Spanien z. Zt. des dortigen Bürgerkrieges wieder seinen politischen Vorstellungen. Er war bekanntlich mehr Theoretiker als Kämpfer.

HOCHSCHULSTUDIUM (1918-1924)

Das Hochschulstudium begann mit dem Besuch der Handelshochschule München 1918. Im April 1920 wurde es mit der Diplomprüfung beendet. Auf Grund des guten Prüfungsergebnisses ist dem neugebackenen Diplomkaufmann von der Stadt München eine Anstellung im höheren Dienst der Stadt angeboten worden, was bestimmt eine sehr verlockende Sache gewesen wäre. Während der großen Volksmission in München im Jahre 1919 war aber in ihm der Gedanke gereift, Priester zu werden. Mit diesem Ziel im Auge lehnte er das Angebot dankend ab. Er hatte sich bereits zur Fortsetzung des Studiums an der theologischen Fakultät entschlossen. Zunächst wollte er sich prüfen, ob es sich um eine ernsthafte Berufung handle, wohl wissend, dass ihm der Rückweg in einen weltlichen Beruf jederzeit offenstand.

Mit dem Sommersemester 1920 begann er nun das Studium an der Universität München und trat mit dem Wintersemester des gleichen Jahres in das Georgianum in München ein. Im Kreis der allzeit frohen jungen Kommilitonen wurde er sich der Ernsthaftigkeit und Echtheit seiner jungen priesterlichen Berufung endgültig bewusst. Am 26. Juli 1923 schritt er an den Weihealtar, um aus der Hand des Augsburger Weihbischofs Carolus Reth die Priesterweihe zu empfangen. Am 5. August 1923 feierte er in seiner Heimat, in Stopfenheim, die Primiz.

Der Primiziant

Statt sogleich in die Seelsorge zu gehen, erbat er sich Studienurlaub, um auch das Studium der Staatswissenschaften, das teilweise schon beim Studium an der Handelsschule einschlägig betrieben worden war, abzuschließen. Das geschah im Juli 1924 mit der Promotion zum Dr. oec. publ. bei Geheimrat Dr. Adolf Weber.
Statt in den nachfolgenden Ferien sich von den Strapazen eines dreifachen Hochschulstudiums innerhalb von 6 Jahren erholen zu können, erfolgte bereits zum 16. Juli die Beorderung in die Seelsorge, zweifellos der primären Aufgabe eines jeden Priesters.

SEELSORGER UND ERZIEHER 1924 - 1929 - 1934

Der erste Posten war Weilheim, wo er als Aushilfspriester den erholungsbedürftigen Kaplan vertreten musste. Da der Ferienzeit wegen auch der Stadtpfarrer in Urlaub ging, stand er allein auf weiter Flur und hatte sogleich gründlich Gelegenheit zur Bewährung. Durch den ferienbedingten Wegfall der Schulstunden war dieser ,,Einmannbetrieb" auch für einen Anfänger durchaus zu bewältigen.
Am 16. August musste er als Pfarrvikar nach Wittislingen bei Dillingen, wo der dortige Pfarrer und Dekan auf der Kanzel einem Schlaganfall erlitt, der drei Wochen später zum Tod führte. Schon dort zeigte sich seine lebensnahe Hilfsbereitschaft, als er die plötzlich mittellos dastehende, alte Pfarrhaushälterin durch ein Nottestament für den Rest des Lebens versorgte.
Nach Besetzung der Pfarrei kam er am 1. November 1924 als Kaplan nach HI. Geist, Neuburg, wo sein ,,Chef" in humorvoller Weise ihn ,,Durchgangskaplan" nannte, weil er am 1. September 1925 bereits nach München übersiedelte, um in den Hansaheimen, einer räumlich 10 Häuser umfassenden, in der Zielsetzung ,ganz neuartigen Jugend-Heimstätte, einen Heimleiterposten zu übernehmen. Zwei dieser Häuser waren für die Aufnahme voll Hochschulstudenten, ein Heim war für junge Kaufleute, vier Heime für Schüler höherer Lehranstalten bestimmt, während ein Haus für die den Betrieb führenden Schwestern und ihre Laienhelferinnen diente. 1927 kam ein stattliches Gebäude für die heimeigene ,,Höhere Handelschule" hinzu, womit allerdings die finanzielle Belastbarkeit des Gesamtunternehmens überzogen worden war. Die Folge war die Anmeldung des Konkurses 1928. Der Erbauer und erster Leiter der Hansaheime, Generaldirektor Ernst Adam, ein edler Priester nach dem Typ eines Don Bosco, erkannte selbst den steigenden, wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht gewachsen zu sein und schied darum mit Beendigung des Konkursverfahrens aus der wirtschaftlichen Leitung aus und überließ diese dem dazu berufenen Dr. Aurnhammer. Von 1929 an übernahm dieser auch die pädagogische, d.h. die Gesamtleitung.

Die Hansa-Heime, heute Krankenhaus "am Biederstein"-München


Durch geschickte Verhandlungen mit den holländischen Geldgebern konnten die dort untergebrachten Schuldverschreibungen zu einem günstigen Kurs zurückgekauft und damit die Sanierung der Heime endgültig abgeschlossen und ihr Fortbestand somit gesichert werden.
Mit dem Dritten Reich zog indessen eine neue Gefahr herauf. Der kirchenfeindliche Kurs der neuen Machthaber steuerte auf die Aufhebung aller katholischen Anstalten zu. Die Hansa-Heime ereilte dieses Schicksal im Jahre 1938. Als Erziehungs- und Bildungsstätte wurden sie ausgelöscht und die Häuser zur Unterbringung einer Polizeischule verwendet. Mit Kriegsende endete auch diese Episode. Da die amerikanische Besatzungsmacht das Schwabinger Krankenhaus als ,,Military Hospital" beschlagnahmte, wurden die Hansaheime zu einem Krankenhaus umfunktioniert und der Stadt München ersatzweise als ,,Krankenhaus am Biederstein" überlassen. Als solches bestehen sie heute noch, ja sie wurden sogar nach erneuter Renovierung die Heimstatt von Kliniken der med. Fakultät der Technischen Universität München.

IM STAATLICHEN SCHULDIENST 1934-1941

Die zur Auflösung aller katholischen Anstalten führende Schulpolitik des Dritten Reiches reichte in ihrer Zielsetzung in die Anfänge des nationalsozialistischen Regimes zurück. Darum konnte ein hoher Ministerialbeamter alter Prägung den Direktor der Hansaheime schon 1934 auf die drohende Gefahr der Aufhebung derselben aufmerksam machen. Durch das Freiwerden der Religionslehrerstelle am Alten Realgymnasium, heute Oskar von Miller-Gymnasium, zum Ende des Schuljahres 1933/34, bot sich diese Stelle an. In wohlwollender Weise wurde ,sie Dr. Aurnhammer angetragen, der sie in richtiger Abwägung der politischen Situation annahm.
Am 16. April 1934 wechselte er somit von den Hansaheimen an das benachbarte Alte Realgymnasium unter Ernennung zum Studienrat über. Eine seiner ersten Aufgaben war es, den sonntäglichen Studiengottesdienst neu zu beleben und zu gestalten. Überraschend gut ,gelang dieses Experiment zusammen mit dem Kollegen Professor Josef Knott vom benachbarten Max-Gymnasium und in Abwechslung mit ihm feierte man Sonntag für Sonntag in der Pfarrkirche St. Ursula unter höchst erfreulicher Beteiligung der Schüler beider Anstalten sowie vieler Eltern den Gemeinschaftsgottesdienst regelmäßig auch mit Predigt.

Auch mit gelegentlichen Schülerexerzitien hatte der neue Religionslehrer Glück. Einmal erreichte er von allen Münchner Gymnasien sogar die Rekord-Teilnehmerzahl, was ihm kirchlicherseits Lob, staatlicherseits Tadel einbrachte. Ähnlich war es mit der Teilnahme der Schüler an der Fronleichnamsprozession. So erachtet Dr. Aurnhammer die Zeit seiner Religionslehrertätigkeit als eine der glücklichsten seines priesterlichen Wirkens.

Zwischen dem Lehrer, den Eltern und den Schülern knüpfte sich ein Band vertrauensvoller gegenseitiger Verbundenheit. Auch mit den Herren des Lehrerkollegiums bestand stets bestes Einvernehmen und aufrichtige Kollegialität, die sich in einem regelmäßigen monatlichen Stammtisch bis heute fortsetzt.

Oscar von Miller-Gymnasium

ZUM ZWEITEN MAL IN UNIFORM 1941-1945

Eine einschneidende Änderung der schulischen Tradition brachte für den Religionsunterricht die Nazi-Verordnung, dass ab Schuljahr 1941 nur noch in den Klassen 1-4 Religionsunterricht ordentliches Lehrfach sein sollte, d. h. der Religionslehrer wurde aus den Klassen 5-8 verbannt. Die Folge: Freiwerden der Hälfte der Religionslehrer. Um seinem nicht beamteten geistlichen Kollegen das Verbleiben an der Schule zu ermöglichen, setzte sich Dr. Aurnhammer mit einem Freund im Generalkommando VII in Verbindung und bewerkstelligte über ihn seine Einberufung in den Dienst der Wehrkreisverwaltung. Sie erfolgte zum 1. September 1941. Nach viermonatiger Ausbildung an der Heeresverwaltungsschule München wurde er in der Lazarettverwaltung als Kriegsverwaltungsinspektor eingesetzt und zwar im Bereich des Reservelazaretts 1, München.

Als 1942 das Exerzitienhaus Fürstenried Teillazarett des Reservelazarett 1 wurde, erfolgte auf Ersuchen des Direktors des Exerzitienhauses, Herrn Anton Kothieringer, Dr. Aurnhammers Versetzung als Dienststellenleiter in das Lazarett Fürstenried, womit beiden Teilen, dem geistlichen Haus und dem geistlichen Heeresbeamten in gleicher Weise gedient war. Als Chirurg, im Rang eines Oberstabsarztes, wirkte dort der bekannte Professor Max Lebsche; die Pflege der Patienten oblag neben einigen Rotkreuzschwestern  den Niederbronner Schwestern vom Kloster Neumarkt, die schon im Haus waren und nun auch die Lazarett-Küche versahen.

Im Dienste des Lazaretts

Selbst die Hilfskräfte in der Zahlmeisterei waren Ordensschwestern. Ein Milieu, in dem sich auch die Soldaten-Patienten richtig wohl und wie zu Hause fühlen konnten.
Ein bei einem Flieger-Angriff durch eine Luftmine angerichteter großer Schaden wurde mit Hilfe von im Handwerk erfahrenen Patienten rasch behoben und so der Fortbestand des allseits beliebten Lazaretts ermöglicht. Als im Zuge der Entfernung aller katholischen Priester aus Offiziers- oder offiziersähnlichen Rängen auch Dr. Aurnhammer seines Postens enthoben und in den Sanitätsdienst versetzt werden sollte, wussten der Chefarzt und der Oberfeldzahlmeister des Res.-Laz. 1 das zu verhindern mit dem Hinweis auf den ,,Diplomkaufmann" Aurnhammer. Dieser aber wies ausdrücklich auf seinen unabdingbaren geistlichen Habitus hin, um nicht später gar als Apostat angesehen werden zu können. Das alles geschah unter eingehender Information des Generalvikars der Erzdiözese, sowie des Kardinals Faulhaber. Statt der Entfernung aus dem gehobenen Dienst erfolgte die schon längst fällige Beförderung zum Oberzahlmeister.
Mit Kriegsende kam auch das Ende des Teil-Lazaretts. Da aber noch viele Soldaten ärztlicher Behandlung bedurften, konnte es nicht einfach geschlossen werden. Man machte daraus das ,,Caritasspital Fürstenried" und führte dieses auf ziviler Basis mit den gleichen Kräften weiter.
Professor Lebsche kam noch wie vorher täglich zur Operation. Dr. Aurnhammer besorgte weiterhin die Verwaltung, was ihm wegen der noch bestehenden Schließung der Schulen möglich war.
Bei Wiederbeginn des Unterrichts 1946 und seiner damit erforderlichen Rückkehr an das Gymnasium, war das Caritashospital Fürstenried gerade reif für seine Auflösung. So hatte die ,,Caritas" Gelegenheit in höchst eigener Zuständigkeit noch mancherlei Wunden des Krieges zu heilen.

In all den Münchner Jahren betreute seine Schwester Anna mit aller Hingabe und äußerstem Pflichtbewusstsein den Haushalt unsers Jubilars in der Bauerstraße und ermöglichte ihrem Bruder, auch Nichten und Neffen bei sich aufzunehmen, um ihnen den Weg in einen Beruf zu öffnen. Nach den Schrecken des Krieges und der ,,Ausbombung" übernahm sie wieder ihre Aufgabe nunmehr in der Wohnung Widenmayerstraße und versorgte auch dort ihre Lieben bestens. Mit Dank und Freude erinnern sich alle ihrer Haushaltsführung und ihrer Rolle als ,,Frau Holle".

DIREKTOR DES STUDIENSEMINARS NEUBURG
1947-1962

Nur bis Ostern 1947 dauerte die 1946 wieder aufgenommene Lehrtätigkeit. Dann war ihm ein neues Betätigungsfeld zugewiesen.
1938 war auch das Studienseminar Neuburg jener nazistischen Generalbereinigung zum Opfer gefallen. Der damalige Direktor Dr. Lorenz Radlmaier, ein Priester und über Neuburg hinaus angesehener Pädagoge, wurde zwangspensioniert und das Studienseminar in ein ,,Deutsches Schulheim" umgewandelt. Da Dr. Radlmaier bis 1945 69 Jahre alt geworden war, kam eine Rückkehr nach Neuburg nicht mehr in Frage. Verständlicherweise musste aber an die alte Tradition einer geistlichen Heimleitung wieder angeknüpft werden. Als Nachfolger, als Leiter und geistiger Vater dieses traditionsreichen Hauses ,,Studienseminar Neuburg" kam also nur ein Geistlicher in Frage.


Die Wahl fiel auf den ehemaligen Direktor der Hansaheime und jetzigen Studienrat, der alle Voraussetzungen mitbrachte, das altehrwürdige Haus aus dem Verfall zu retten und den guten Ruf als Heimstätte der Jugend wieder herzustellen. Am 16. April 1947 trat er den neuen Posten an.

Der Stiftungsdirektor
des Studienseminars Neuburg

Erneuerung und Ausbreitung der Stiftungsidee
auf die Städte München-Augsburg-Regensburg
1947-1962

Die Tat nur bringt das Wissen, der nichts wagt,
hat auch vom Glauben bloß den Schein.
Sophokles

Der nun folgende und bedeutsamste Abschnitt im Lebenswerk von Dr. Aurnhammer soll aus mehrfacher Sicht beleuchtet werden. Zunächst sei ein kurzer Abriss der Geschichte des Studienseminars und der Stiftung vorausgestellt bis zur Übernahme durch den Jubilar. Daran schließt ein Bericht der Hausmutter, Frau Th. Dorn, wie sie die Jahre des Aufstiegs und der Erneuerung der Stiftung erlebte und schließlich schildert - nach einigen ,,Bildern" aus dem Seminarleben - ein Schüler, Toni Griebseh, der von 1948 bis 1956 im Seminar, anschließend bis 1963 im Baldehaus die Lebensgeschichte Dr. Aurnhammers aus nächster Nähe und später aus freundschaftlicher Verbundenheit miterlebte, wie er Persönlichkeit und Wirken des Jubilars subjektiv in Erinnerung hat.

 

Dieser kurze geschichtliche Überblick kann erst jene Plattform abgeben von der aus sich der Schwerpunkt des Lebenswerks von Dr. Aurnhammer richtig überblicken lässt und vor diesem Hintergrund gewinnt das ungeheure Aufbauwerk dieser 15 Jahre erst das volle Gewicht einer geschichtlichen Tat: Exegi monumentum aere perennius (Horaz).

Abriss der Geschichte des Studienseminars Neuburg

1505:

Gemeinsame Regierung von Herzog Ottheinrich und Philipp
1535:

Ersterer bis 1559. Gründung einer vierklassigen "Lateinschule"

1569-1614: Philipp Ludwig Herzog von Pfalz-Neuburg; unter ihm Errichtung einer "Präbende" 1584
1614: Herzog Wolfgang Wilhelm wird katholisch
1616: Übergabe der Präbende an die Jesuiten im Zug der Gegenreformation
1638: Stiftung des Studienseminars durch Herzog Wolfgang wilhelm. Finanzielle Ausstattung mit Teileinkünften des Klosters Bergen
1773: Aufhebung des Jesuitenordens - "schwerster Schlag seit Bestehen"
1803: Restitution des Seminars durch Kurfürst Max Josef
1814 - 1822: Direktor K. Resch; kluge Wirtschaftsführung
1816 Verlegung des Seminars in das seit 1813 verlassene Ursulinenklosters unterhalb des "Roten Tors". Erhebliche bauliche Veränderungen.
1849 - 1865 Direktor Thum. Grundlegung für Seminarökonomie
1866-1872 F. S. Romeis; Trennung von Schule/Seminar
1873-1899: Erster weltlicher Direktor Leonhard Hohenbleicher
1880/1881 Errichtung des Hohenbleicher Baues. Erwerb des 382 Tagewerk großen Forsthofs.
1899-1914: Dr. L. Götzeler; ausgeglichene Leitung; Aufforstung des Forsthoffeldes.
1914-1938: Ära Dr. Radlmeier; 2 1/2 Jahrzehnte positive Entwicklung, niedergelegt in Annalen 1927, 1928 und 1935. Guter Wirtschaftler, Wiederaufbau Ökonomie, strenger Erzieher mit Herz, warmherziger Seelsorger.
1938-1945: Seminar als ,,Deutsches Schulheim"; völlig neue Organisation. Verheiratete Erzieher im Dienst. Gruppen- und Heimschule. Durchdringung des Hauses und seiner Schüler mit NS-Gedankengut. Organisatorische Ausrichtung nach Arbeitsrichtlinien ,,HJ".
1938/1945: Oberstudiendirektor Dr. Karl Haupt; Heimleitung durch St. R. J. Reger, da Dr. Haupt eingezogen; Kurzzeitig H. Halter - radikale Führung; Widerstand der Eltern.
1939-1943: Heimleiter St. R. K. Dorn; Versuch, des Altphilologen, die Bestrebungen der ,,neuen Zeit" in ein positives, für echte Menschenbildung geeignetes Gleis zu lenken.
1943-1944: Heim durch L. Hagl ,geleitet; ab Juli.
1944: durch Stud. Prof. F. Waller; ab Januar.
1945: Aufhebung des Seminarbetriebes; Haus wird Lazarett.
April 1945: Artillerietreffer.
Ab Frühjahr  1945: Verwüstungen und Verwahrlosungen. Ab Frühjahr 1946: Seminar wird Flüchtlings-Durchgangslager.
1946/1947: Allmähliche Konsolidierung des Betriebs. Aber aussichtslos schlechte Situation des  kümmerlichen räumlichen Rests des Seminars. Mehrere Anwärter lehnen das schwere Erbe des Wiederaufbaus als zu große Aufgabe ab.
April 1947: Auf Wunsch des Kultusministeriums nimmt Dr. Aurnhammer den Auftrag zur Leitung des Studienseminars Neuburg an.

An dieser Stelle sei nun - vor der Folie der historischen Situation - die biographische Schilderung wieder der Feder der Hausmutter des Studienseminars, der Witwe des seit 1944 in Rußland vermissten Heimleiters, Frau Th. Dorn, überlassen, die von I940-1962 zweiundzwanzig Jahre lang - in der Tradition der ,,Seminarmütter" (Frau Rosa Hohen-bleicher , 1.4. 1873, gest. 28.2. 1928, Frl. Anna Radlmaicr, die von 1914 bis 1938) Hausmutter war und die Geschicke des Studienseminars und die Aufbauleistung des Jubilars von maßgeblicher Stelle aus miterlebte und mit stetem Engagement am Wiederaufstieg des Seminars entscheidenden Anteil hatte. Frau Dorn, die selbst in der Festschrift ,,75 Jahre Neuburger Studiengenossenschaft" S.95 und in ,,Annalen" 1960 S.40 eine gebührende Würdigung gefunden hat, schreibt:

Dr. Aurnhammers Aufbauleistung.

AUS KRIEGSWIRREN BIS ZUR HOCHBLÜTE DES STUDIENSEMINARS 1947-1962

Die höchste Kraft kann dann nur Hohes wagen,
wenn sie mit weiser Mäßigkeit sich eint.
Horaz, Oden: III,4 (65)

Das Studienseminar Neuburg teilte voll und ganz das Schicksal des deutschen Vaterlandes: das Los eines totalen Zusammenbruchs!
Zum Kriegsende wurde es Feldlazarett für die immer näher rückende Front, danach Unterkunft für ungarisches Militär, später für amerikanische Truppen, schließlich 1946 ,,Flüchtlingslager".
Für die 45 Schüler bei der Neueröffnung (der Schule 1946 stand nur noch ein einzelner Trakt des quadratischen Gebäudekomplexes notdürftig zur Verfügung. Das Inventar war verheizt, demoliert oder weggeschleppt, die Fenster teilweise mit Brettern vernagelt, das Ganze ein Bild der Verwüstung. Sang- und klanglos, von der Öffentlichkeit unbeachtet, erfolgte der Dienstantritt des neuen Direktors, den gerade die Hoffnungslosigkeit der gesamten organisatorischen, baulichen und wirtschaftlichen Situation zur Übernahme der ihm gestellten Aufgabe reizte.
In zielbewusstem Ringen ,stellte er sich dem Gebot der Stunde. Ein langer Arbeitstag von morgens 6.oo Uhr bis abends 22.00 Uhr war die Regel. Immer war Direktor Aurnhammer bemüht, dem Baumeister, der die Ökonomie betreute, und seinen Leuten schon in aller Frühe das gute Gefühl zu geben, dass sie in den Mühen und Härten, welche die unentwegte Arbeit für den großen landwirtschaftlichen und Gesamt-Betrieb des Seminars erforderte, nicht allein gelassen waren; daher war Dr. Aurnhammer meist schon um 6.oo Uhr auf ,dem Hof.
Oft auch erschien er beim Wecken in den Schlafsälen, um seinen ,,Buben" das verständlicherweise ,,zähe Losringen" aus der behaglichen Bettwärme ,durch sein Vorbild zu erleichtern.
Von Jahr zu Jahr wurden durch anderweitige Unterbringung der Flüchtlinge Räume für die Belegung mit neuen Schülern frei. 1951 konnte mit der 250-Jahr-Feier des Bestehens der Seminarkirche und der Seminaranlagen die volle Verfügbarkeit für den eigentlichen Zweck festlich begangen werden. Nach gründlicher baulicher Erneuerung und Neubeschaffung des Inventars erstrahlte das Seminar in neuem, alles frühere übertreffendem Glanz. Durch den guten Ruf des Hauses stieg die Zahl der Zöglinge auf 220. Somit war das Neuburger Seminar das größte staatlich verwaltete bayerische Schülerheim.
Die zum Seminar immer schon gehörende Land- und Forstwirtschaft (letztere verwaltete der neue Direktor zum Unterschied von früher nun ganz in eigener Regie - wozu auch der Abschluss von Holzverkaufsverträgen gehörte und die ganze ,,Wissenschaft" der Vermessung und Bewertung des Holzes), brachte nun so ansehnliche Erträge, dass nach Abgeltung der Restaurierungskosten erhebliche finanzielle Mittel für die Ausweitung der Seminar-Stiftung verfügbar wurden.

Jakob-Balde-Haus München


So wuchs die Stiftung in drei Großstädte hinein: In München mit dem Studentenheim Jakob-Balde-Haus, in Augsburg mit dem Albertus-Magnus-Heim für Studierende an der dortigen Pädagogischen Hochschule und in Regensburg mit dem Neubau des 120 Buben fassenden Schülerheims St. Emmeram 1960/61. <Die alma mater Neuburgensis zählte damit über 600 Studiosi und war somit ein beachtlicher Faktor im bayerischen Bildungswesen.)

Das bei der 250-Jahr-Feier von Direktor Aurnhammer geschaffene Wappen am Eingang zum Seminar in Neuburg zeigt Kreuz und Buch mit dem Wahlspruch

,,in fide et scientia vis vitae"    in Glauben und Wissen zusammen liegt des Lebens Kraft) kennzeichnet als Wahrzeichen der Neuburger Stiftung sämtliche ,,Filialen" des Studienseminars - München, Augsburg und Regensburg.

Albertus Magnus-Heim im Bau, Augsburg


Nach außen traten naturgemäß die Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet zunehmend beachtet in Erscheinung. Nicht minder aber waren seine Anstrengungen und unentwegten Mühen im pädagogischen Bereich. Durch die einsatzfreudige Mitwirkung der Präfekten, die ihre Stunden auch nie zählten, gelang es, den Buben eine intensive Studienförderung angedeihen zu lassen und dadurch viele über mancherlei Klippen bis zum Abitur zu bringen. Mit wahrem Idealismus gab der Direktor ungezählte ,,Paukstunden" und mancher seiner Schützlinge wird sich der Abendstunden der ,,Fortbildung" im Direktorat erinnern. Die Eltern, mit denen er vertrauensvoll verbunden war in der Sorge um die Kinder, schätzten die sorgfältige Betreuung und sein großes, wirklich väterliches Verständnis für die jungen Menschen und ihre Probleme. Als Priester blickte er mit klarer Haltung verbunden mit menschlichem Verstehen auf jeden einzelnen, kannte jeden mit allen seinen Vorzügen und Schwächen und versuchte in den oft kritischen Phasen der Reifezeit ihn im Leben des Glaubens zu erhalten und zu fördern. Mit großer Dankbarkeit blickt er heute auf die sieben geistlichen Mitbrüder, die einst seine Zöglinge waren. Nicht weniger froh ist er aber auch über seine ehemaligen ,,Buben", die sich heute als aufrechte Christen, pflichtbewusste, besorgte Familienväter, wache, verantwortungsbewusste Männer in der Welt, im Beruf bewähren.
Die wirtschaftliche Konsolidierung der Stiftung, besonders durch den Holzertrag der Wälder, durch die Bauten und ein Tausende von Quadratmetern umfassendes Baugrundstück in Haar, sowie der Kapital-Ertrag aus einem ansehnlichen Wertpapier-Depot, machte sie nicht nur wirtschaftlich völlig krisenfest, sondern bot auch die Möglichkeit in gemeinnütziger Weise durch viele Stipendien und sonstige Studienbeihilfen ihrem Zweck entsprechend mit materiellen Gütern den wirtschaftlich weniger Gesegneten den Weg zum Studium zu ebnen.

Schülerheim, St. Emmeram, Regensburg


So konnte Dr. Aurnhammer 1962-1963 seinem Nachfolger ein geordnetes Erbe übergeben. Das anfänglich unmöglich Erscheinende war dank des Segens von oben, der nimmermüden Hingabe des Direktors und der treuen, allzeit willigen Mitarbeit des Personals möglich geworden. Die Anerkennung durch Direktor Dr. Radlmaier, der Dr. Aurnhammer einen ,,zweiten Resch" nannte, oder der Ausspruch des alten Herrn Hohenbleicher Sohn des Seminardirektors Hohenbleicher 1870-1899) nach der Fertigstellung des Jakob-Balde-Hauses: ,,Nicht nur meine Verehrung, auch meine Bewunderung", waren Worte der Anerkennung für das Aufbauwerk aus berufenem Munde. Denn es waren spontane Äußerungen von aufrechten Männern und neidlosen Freunden des Studienseminars.
Nicht weniger anerkennend war die Äußerung des Bischofs Freundorfer von Augsburg: ,,Sie sind mein Simon von Cvrene", womit er seiner Erleichterung darüber Ausdruck gab, dass Dr. Aurnhammer ihm die Sorge um die Lehrer- und Lehrerinnen-Studenten mit dem Bau des Albertus-Magnus-Heimes abgenommen hat. Auch die Regierung v. Schwaben hat anlässlich der Verabschiedung des in Pension gehenden Direktors dessen Leistungen hohes Lob gezollt und bedauert, dass auf Grund der bestehenden Ruhestandsversetzungsbestimmungen eine so erfolgreiche Tätigkeit beendet werden müsse obwohl die geistige und körperliche Frische des Amtsinhabers die Fortsetzung durchaus möglich scheinen lasse.
Gleichzeitig mit Beendigung seiner Dienstzeit im Studienseminar 1963 feierte er sein 40jähriges Priesterjubiläum sowohl in Neuburg, wie auch in Stopfenheim unter zahlreicher Beteiligung der Gläubigen. Die Heimatgemeinde machte ihn zum Ehrenbürger, der Bischof von Augsburg ernannte ihn zum Geistlichen Rat. Am 6. November 1963 feierte ihn die Neuburger Studiengenossenschaft im Baldehaus München mit einem Ehrenabend, zu dem ihm eine Photobiographie des 15-jährigen Neuburger Wirkens übergeben wurde.

BILDER AUS DEM NEUBURGER STUDIENSEMINAR

Der Seminarbetrieb

Die Schätze der Könige
sind die Herzen der Untertanen.
(Wahlspruch Leopolds II. v. Habsburg)

Im Seminar hatte sich das Gefühl einer großen Familie herauskristallisiert. Alle zogen sozusagen am gleichen Strang. In der Land- und Hauswirtschaft arbeiteten alle - dort unter Führung des Baumeisters, hier unter Leitung der Hausmutter - der Zeit und Intensität nach so, wie es das Wohl des Hauses erforderte. Wenngleich die Arbeitszeit selbstverständlich geregelt war, dachte man nicht daran, etwa mit dem Glockenschlag sie zu beginnen oder zu beenden.
Am wenigsten wäre das im Schülerbereich möglich gewesen. Mit drei Präfekten wurde der um 6.00 Uhr beginnende und um 21.00 Uhr endende Tag im Studienseminar bei 220 Zöglingen abgewickelt. Dabei waren ,,die Herren", wie die Präfekten genannt wurden, gleichzeitig in dieser 15-stündigen Zeitspanne im Dienst. Zwei von ihnen weilten jeweils zur Studienüberwachung in den beiden Studiersälen, einer der Präfekten widmete sich während der Studierzeit dem ,,Pauken" schwächerer Schüler. Dies ergab eine für heutige Begriffe von Arbeitszeit ganz und gar nicht ,,aufgehende" Rechnung. Nur aus einer idealen Berufsauffassung heraus, fern aller ,,gewerkschaftlichen" Denkweise, lässt sich ein solcher Einsatz erklären. Man möchte meinen, dass ein solches Vorbild der Pädagogen auch auf die Studierfreudigkeit der Jugend ausstrahlte; wenngleich Jugend ungern früh den Ernst des Lebens an sich heranlässt, so hat gemäß dem pädagogischen Prinzip des ,,Vorbildes" eine gewisse Rückkopplung stattgefunden, was man, gleichfalls gemessen an den schulischen Erfolgen, wohl behaupten kann.
Alle, die im Seminar, gleichviel an welchem Platz, zum Wohl des Ganzen mitwirkten, denken trotz der hohen Anforderung an ihre Dienstbereitschaft gerne an die dortige familiäre Atmosphäre zurück, das Verwaltungs-Personal mit eingeschlossen. Auch dieses leistete, wenn nötig, freiwillig zahlreiche Überstunden. Da hat sich deutlich das Sprichwort ,,Wie der Herr, so sein Gscherr" bewahrheitet. Das Vorbild des Chefs spiegelte sich in den Leistungen seiner Mitarbeiter wieder.

"Ein zweiter Resch"

,,Einen zweiten Resch" nannte, wie schon erwähnt, Direktor Radlmeier seinen Nachfolger. Karl Resch war Seminardirektor von 1814-1822. Er gilt als Retter der Seminarstiftung, die um die Wende zum 19. Jahrhundert vor ihrem Untergang stand. Durch umsichtige und sparsame Geschäftsführung und den Glücksfall, das ehemalige Ursulinenkloster als künftiges Domizil für das Studienseminar vom Staat aus der Säkularisation überlassen zu erhalten (1816), sicherte nicht bloß den Fortbestand, ,sondern auch die Ausweitungsmöglichkeit des Seminars. Damit waren in entscheidender Weise die Weichen für die Zukunft gestellt. Was Resch selbst zum zweiten "Fundator" des Studienseminars machte, währte bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Als dann wie bei Resch wiederum das Ende des Seminars gekommen schien, wusste der neue Direktor das zu verhindern. Wie im staatlichen Bereich wurde auch hier durch eine Art Wirtschaftswunder die drohende Katastrophe abgewendet.

Der Restaurator
Die Neugestaltung der Seminarbauten war im Herbst 1951 - abgeschlossen und wurde zugleich mit der 250-Jahr-Feier der Anstaltsgebäude in Anwesenheit des Bischofs Freundorfer von Augsburg, der Prominenz von Staat und Stadt, der Studiengenossen und sonstiger zahlreicher Gäste festlich begangen. In einer Festschrift von Dr. Aurnhammer ,,250 jähriges Bestehen der Studienkirche. . .,, und in den Annalen 1960 (eine Fortsetzung der von Radlmaier iniziierten neuesten Geschichte des Studienseminars der Annalen 1927/28 und 1938, die verdienen, weitergeführt zu werden), sowie im Vergleich je eines Photo-Albums von vor 1939 und nach 1951, sind die mannigfaltigen zeitgemäßen Änderungen deutlich erkennbar. Speziell der Restaurierung der freundlichen und künstlerisch harmonischen Barockkirche wurde besonderes Augenmerk geschenkt. Unter ihr ist die Gruft-Grabesstätte der Ursulinen von I700-1806. Sie wurde im 2. Weltkrieg von unbekannten Tätern aufgebrochen, die Grabnischen durchwühlt - offenbar im törichten Glauben, dort ,,wertvollen Schmuck zu finden - alles in allem zeigte sich ein Greuel der Verwüstung. Den Schwestern wieder eine würdige Stätte der letzten Ruhe zu geben war nicht nur eine Verpflichtung der Pietät, sondern auch der Dankbarkeit. Verdankt Neuburg doch ihnen prächtige Antependien -und Messgewänder in einer von einmaliger Goldstickerei geprägten Form, die mit einer derartigen Liebe und Ausdauer erfolgte, dass manchmal Ursulinen bis zur Erblindung an dieser diffizilen Arbeit blieben.

Neben der Erneuerung der Gruft erfuhr die Kirche eine sehr gelungene Restaurierung und sie ist somit wieder ein Schmuckstück Neuburgs geworden. Am auffallendsten ist die Auswechslung des Hochaltarbildes. Nach der Säkularisation wurde das prächtige Gemälde vom Martyrium der hl. Ursulas dem Rahmen genommen und ein Kreuzbild eingefügt
gemäß der nach der hl. Kreuzkirche i." Bergen erfolgten Benennung ,,Seminar zum hl. Kreuz".  Das Kreuzigungsbild aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts hängt jetzt auf der Orgelempore, während dem Besucher sich das in herrlicher Farbenkomposition dargestellte Martyrium der Kirchenpatronin in barocker Bewegtheit darbietet.

Helfer in Verlegenheit

Man feierte das 25jähnige Priesterjubiläum des Religionslehrers Prof. Albert Lidel. Der Festprediger ist ein Freund und Pfarrer einer Gemeinde im Ries; mit dem Seminar-Auto sollte er abgeholt werden. Um 9.00 Uhr sollte der Festgottesdienst beginnen. Alles war bereit, nur der ,Festprediger war noch nicht eingetroffen. Um 9.10 Uhr entschloss man sich, in der Erwartung, dass er bis zum Evangelium eintreffe, zum Beginn des Gottesdienstes. Das Gloria war verklungen, das Evangelium gesungen, aber der Prediger noch immer ,nicht in Sicht. Kurz entschlossen stieg der als Diakon fungierende Dr. Aurnhammer auf die Kanzel und hielt die Predigt   gar nicht schlecht, wie man sagte. Die Freundschaft  mit dem Jubilar löste ihm offenbar die Zunge und beschwingte das Herz und die Gedanken zu einer ,,Festpredigt" aus dem Ärmel.

Der Chef der Landwirtschaft

Der Seminardirektor von Neuburg ,ist Herr einer der größten Wald- und landwirtschaftlichen Besitzungen. Als getreuem Verwalter dieses Besitzes muss ihm an einer guten Bewirtschaftung gelegen sein. Damit waren damals schon die mannigfaltigen Sorgen um ausreichende Hilfskräfte verbunden; denn Maschinen wie heute gab es noch nicht. Die Einbringung der Ernte war damals aber lebenswichtiger als je sonst.
Da appellierte der Seminardirektor an den Idealismus ,seiner Studenten: er wurde nicht enttäuscht. Zur Zeit der Kartoffel- und Rübenernte wimmelte es auf den Feldern des ,,Seminärs" von jungen Burschen. Der Direktor stellte die Einsatzkader höchstpersönlich zusammen. Den Anfang mussten jeweils ,die obersten Klassen machen, denn sie sollten dadurch ein Zeichen setzen zum Ansporn aller. Der Direktor oder ein Präfekt leiteten den ,,Einsatz" und griffen notfalls selbst tatkräftig zu. Tagtäglich wurde das Ergebnis am schwarzen Brett bekanntgegeben und damit der Wettstreit der Bewährung in der ,,Arena der Kartoffelschlacht" sportlich verbrämt. Der tägliche ,,Einsatz" dauerte von I3.00-I7.00 Uhr, dann ging's heim unter die Dusche und zum kräftigen Abendessen. Das Haus- und Küchenpersonal tat brav mit, indem es gern die damit verbundene Verlängerung der Arbeitszeit hinnahm.


Fleißige Erntehelfer


Nach der Ernte folgte in der Regel am Fest der Kirchenpatronin Ursula die Ernte-Feier bei Weißwürsten - vom Direktor selbst von München, der Metropole echter Weißwürste, herbeigeschafft - und bayerischem Bier und frohen Gesichtern. Der Direktor war ,stolz auf seine tüchtigen Buben und diese konnten es sein auf ihre Leistungen. Dieses Experiment war auch pädagogisch wertvoll, weil es auch bei der Jugend neue Erkenntnisse schaffte, dass nämlich an der leiblichen und landwirtschaftlichen Versorgung der Menschheit Schweiß und Mühe hängen. Das wirkte umgekehrt auch auf die Leute in der Landwirtschaft nach, nämlich die Einsicht, dass ihre Arbeit, wenn nötig, auch von Studierenden und Studierten geleistet werden kann, was somit auch eine ,,soziale Komponente" bei diesem Einsatz zum Tragen brachte
Freilich, weniger begeistert war in der Regel die Schule; aber die Professoren kamen freundlicherweise entgegen durch Rücksichtnahme auf die Schüler, die tags zuvor einige Stunden der sonst üblichen Studierzeit bei körperlicher ,,Ertüchtigung" verbrachten. Es waren auf 220 Zöglinge verteilt für den einzelnen höchstens zwei Nachmittage für den Ernteeinsatz. Es ist verständlich, dass der Seminardirektor und das Personal erleichtert aufatmeten, wenn alles gut vorbei war.
Leider fehlte es nicht an Missgesinnten, die diese und andere Erfolge des Seminardirektors mit Argusaugen verfolgten. Ihnen ist entgegenzuhalten, was der Nachfolger von Seminardirektor Resch, Direktor Thum, über diesen sagte:
,,Seine ausgezeichneten Verdienste, welche er sich um das Seminar erwarb, vermag ihm kein Neid und keine Splitterrichterei zu schmälern." Und Dr. Radlmeier fügte hinzu ,,Wenn man bedenkt, wie schwierig die Gesamtlage des Seminars damals war, muss man sagen, es war ein kritisches, ein keckes, ein gewagtes Unternehmen" - aber gerade das lockte den in anderen heiklen Situationen bereits bewährten ,,Wirtschaftler" Aurnhammer.

Der ,,Forstmeister"

In seiner Tätigkeit als Herr des Seminarforstes kam Dr. Aurnhammer ein erwähnenswerter glücklicher Umstand zu Hilfe. In dem pensionierten staatlichen Revierförster Ganßer hatte er einen Mann von einmaliger fachlicher und charakterlicher Eignung. Ganßer, wie Aurnhammer ehedem Chevauleger  der war Eskadron-Wachtmeister beim 4. Chevauleger-Regiment - war, von einer vorbildlichen Dienstauffassung beseelt, die personifizierte Zuverlässigkeit und Unermüdlichkeit, ein Mann, dem der Wald, seine Pflege und seine Nutzbarkeit ein Herzensanliegen war; kein Wunder, dass er von den Waldarbeitern Achtung und von seinen Vorgesetzten absolutes Vertrauen, Hochschätzung und Anerkennung erfuhr.

Die haushälterische und hauswirtschaftliche Betreuung

Nicht unerwähnt dürfen die bleiben, die im Laufe seines Priesterlebens für das leibliche Wohlergehen Sorge getragen haben in getreuer Nachfolge der Martha, die um Christus selbst nie anders als selbstlos und dadurch rührend besorgt war. Es sind das: In den Hansaheimen die Niederbronner Schwestern, im Privathaushalt des Studienrats in München bis zum Ausbomben seine Schwester Anna, die ihn dort ebenso wie nach dem Krieg in der Wohnung in der Widenmayerstraße betreute. In Neuburg besorgte sie die Dienstwohnung und den Bruder, wirksam unterstützt von der Hausmutter des Studienseminars, Frau Thusnelda Dorn. Mit dem Pensionisten zog die treue und allzeit besorgte Seele mit wieder nach München, wo sie bis kurz vor Ihrem Tod am Weihnachtstag 1972 unter Aufgebot ihrer letzten Kräfte sich für ihren Bruder abmühte. Sie war in des Wortes bestem Sinn eine Opferseele, die die Kraft zur Bewältigung ihrer langjährigen treuen Dienste aus ihrer tiefen Religiosität schöpfte.
Nach ihrem Tod versorgte den alten Herrn seine um ein Jahr jüngere Schwester Marie bis zur Übersiedlung nach Eichstätt. Mit 76 Jahren wurde diese von Schwester Fidelis aus der Benediktus-Schwesternschaft in München-Pasing abgelöst, die nun dankenswerter Weise für den Jubilar bis an sein Lebensende zu sorgen sich bereit erklärt hat.

Resume

Die Einzelheiten der Wiederaufbauleistung und der wirtschaftlichen Sanierung der Stiftung Studienseminar Neuburg, wie sie der vorstehende sachliche und knappe Bericht kurz umrissen hat, und wie sie sich in den ,,Bildern" spiegeln, wurden im 4. Band der ,,Annalen des Studienseminars Neuburg a. d. D." vom Juni 1960 .genauer festgehalten. Es würde den Rahmen dieser knappen Biographie sprengen, diese Leistungen auf den zahlreichen Gebieten wie Bauten, Renovierungen, Wirtschaftsführung, Kirchenrestauration, Landwirtschaft, Gärtnerei, Grundstückkäufe, Mietshäuser ,und die erwähnten drei Großbauten München, Augsburg und Regensburg weiter aufzuführen. Jedoch soll ein Satz aus den ,,Annalen 1960" als richtungweisend hier zitiert werden: ,,Das Jahr 1956 bedeutet in der Geschichte des Seminars einen Einschnitt, eine derart entscheidende Wende in der Entwicklung des Stiftungsgedankens, dass man dieses Jahr mit der Gründung 1638 selbst und der großen Übersiedlung 1816 vergleichen ,kann. Die große Stiftung war nicht nur aus den
Verwüstungen und wirtschaftlichen Gefahren der Kriegs- und Nachkriegszeit größer und gesicherter denn je hervorgegangen, das Studienseminar selbst war nicht nur von Grund auf erneuert und aufs modernste neu gestaltet worden: nun war noch dazu mit dem 11/2-Millionen-Projekt eines Studentenheimes, das die Seminaristen auch in der Studienzeit in München beherbergen soll, ein grundsätzlich neuer, kühner und entscheidender Schritt geschehen. Die Stiftung hatte das erste Mal in ihrer mehr als 300-jährigen Geschichte über den Bereich Neuburgs hinausgegriffen, -eine Tat, mit der der Entwicklung der Jahrhunderte neue Wege gewiesen sind. Und das ist das Verdienst eines Mannes, des Stiftungsdirektors Dr. Ph. Aurnhammer.... es ist.... etwas Einmaliges, noch nie Dagewesenes, was er geschaffen hat und was durch ihn zu einem Wendepunkt in der Stiftungsgeschichte geführt hat."
Hier soll ein Gedicht von Gymn. Prof. H. Renner, Neuburg, folgen, das die Gründung des Balde-Hauses poetisch umreißt und bei dessen Einweihung durch Kardinal Wendel von Toni Griebsch, dem spiritus rector dieser Broschüre, vorgetragen wurde.

Zur Einweihung des Jakob Balde-Hauses

 

Hier ist ein guter Stein gefügt, ihr Freunde,
gerechter Not ein warmes Dach bereit.
Gedenkt mit mir der Vaterhand und auch
des klaren Muts, der solchen Plan gehegt!
Seht dort die Macht sich ihre Türme bau'n!
Im lichten Saal glänzt die Maschine hoch
verwöhnt, als wär' sie nicht von uns gemacht
Doch wo der Geist heut mit umwölkten Sternen
die strenge Zwiesprach hält, ein Fordrer oft,
und doch in Demut ringend um ein Zeichen
erneuter Ordnung: sagt, wer darf da noch zaudern,
der ernsten Unruh einen Sitz zu richten,
dass sie sich sammle, dass sie innig fühle,
für wen sie irren darf und Ordnung wagen!
Wißt, daß die Jugend gern dem Geist sich stellt,
der hohen Zucht, der Arbeit, die sie steigert.
Und doch vermag ihr Feuer nichts, ihr Fleiß,
ihr liebster Eifer nichts, wenn des bescheidnen,
des Ofens Duft, das stille Wort ihr fehlt.
So schaut beglückt denn, Freunde, um und um
schmiegsamen Raum, die Treppe schlank gefügt,
die Türen geh´n zu immer bessrer Einkehr
Wenn draußen bald die Spätjahrswinde stoßen,
wenn aus der Schlucht der Straße das Getriebe
der großen Stadt heraufwill, oh, das kommt
nur sanft an diesen steilen Bug; der schneidet's
gelassen wie ein wohlbeladnes Schiff.
Doch was so gern und sorglich gut bereitet,
es wünscht sich menschennahe Dauer auch
Und kann´s des Höchsten Segen denn entbehren !
Gott geb' der Dauer Sinn, der Müh Bescheiden,
 euch Wänden aber wie dem Walde Blüt'
und Frucht, Gedeihen, ach und Fröhlichkeit.
dem Keller Wurzelkraft, Freundschaft der Erde!
Mag doch der Herr vor blindem Schicksal schonen!
Haltet die Herzen nun zur Weihe still!

Über die unvorstellbare Leistung auf betriebswirtschaftlichem, finanzpolitischem, juristischem, organisatorischem Gebiet hinaus war es die der großen Persönlichkeit des Jubilars entströmende, in sich ruhende Kraft zur Synthese dieser einen Seite der Begabung mit den sich andererseits stellenden Aufgaben auf dem Gebiet pädagogischer und seelsorgerischer Zielsetzungen, in deren Dienst die Wirtschaftskraft der Stiftung stets gestellt wurde. Nie konnte die Fülle der Aufgaben und Probleme der erstgenannten Seite die Zielstrebigkeit des Einsatzes für die jungen Menschen auf dem Gebiet von ,,fides und scientia", von Glauben und Wissen, auf der anderen Seite in Frage stellen oder mindern. Die grandiose Beherrschung der wirtschaftlichen Aufgaben wurde nie zum Selbstzweck, sondern war das Mittel zum Zweck, junge Menschen zu schulischer Leistung, menschlicher Reifung und Vertiefung der transzendentalen Bindung in einem sich wandelnd erneuernden Glauben hinzuführen.
Dabei war Dr. Aurnhammer weder ein pastoraler Theoretiker noch ein theologischer Scholastiker. Die beharrliche Wirkung, die von ihm in ,den Disziplinen schulischer Leistungen, Charakterbildung und Glaubensvertiefung ausging, ist nur verständlich, wenn man sich an die alte pädagogische Maxime der Wirkung durch das Beispiel erinnert und dieses Beispiel durch die zähe pragmatische Haltung einer früh mit den Härten des Lebens konfrontierten, aus erdverbundener bäuerlicher Jugend stete Kraft schöpfenden und durch ungebrochene Einheit von Persönlichkeit und Handeln durch geformte Kämpfernatur täglich aufs neue verwirklicht sieht.

Dazu hat es Dr. Aurnhammer stets verstanden, die stets weiter sich ausbreitenden Aufgaben seines Amtes als Stiftungsdirektor auf seine Mitarbeiter zu delegieren und er wusste durch sein mitreißendes Beispiel vom einfachsten Wald- und landwirtschaftlichen Arbeiter bis zu seinen Mitarbeitern in Verwaltung und Küche, von der Hausmutter bis zu den Präfekten und Klassensprechern bis hinauf zum Stiftungskuratorium - das seit 26. II. 1954 mit dem neuen Stiftungsgesetz demokratisch an seinem Amt mitwirkte - stets die Herzen seiner Mitarbeiter für sich und das gesteckte Ziel einzunehmen, ja zu begeistern. Ohne dieses Phänomen der inneren Macht über die Herzen und Geister der Mitarbeiter wäre dieser zentrale Abschnitt seines Lebenswerkes nicht erreichbar gewesen. Diese Analyse soll dabei das in den fünfzehn Neuburger Jahren geschaffene große Werk nur verstehbar machen, weil es sonst zu übermenschlich wirken muss und dies ist auch die Stelle, wo dankbar dieses Synergismus aller an der Neuburger Aufgabe beteiligten Mitarbeiter zu gedenken ist.

Heimleiter und Hausgeistlicher (1963-1973)

1962 führte Dr. Aurnhammer sein Lebensweg wieder nach München, wie nach seiner Primiz 1923. Die Ursulinen in Landshut bauten dort ein Mädchen-Wohnheim. Auf der Suche nach einem wirtschaftlichen Berater wurde die Oberin des Klosters, Schwester Blandina, von höherer Seite auf den in den Ruhestand tretenden und dadurch ,,frei werdenden" Dr. Aurnhammer aufmerksam gemacht. Zielbewusst sorgte er nach seinem Engagement für den zügigen Baufortgang, um das Haus bis zum Beginn des Wintersemesters 1963/64 fertig zu haben. Kaum war der eigene Umzug geschafft, musste binnen 14 Tagen das 200 Betten zählende Heim belegt werden. Mit Hilfe des Studentenwerkes gelang es. Hörte man sich um, so konnte man glauben, ein zweites Pfingsten zu erleben, denn Studentinnen der verschiedensten Nationen und Sprachen kamen hier zusammen. Nur so war es aber möglich, das 7 stöckige Haus in so kurzer Zeit zu bevölkern. Dabei wurde vielen jungen Leuten in der Not der Zimmersuche geholfen. Unvergesslich bleibt dem Leiter des Hauses Weihnachten 1963, wo in gemütlicher Runde das ,,Stille Nacht, heilige Nacht" in so vielen Sprachen erklang und die Universalität von Christi Geburt allen bewegend zum Bewusstsein kam.

Prokurator der Lachnerklinik (1966-1970)

Die Benediktus-Schwestern, eine Schwesterngemeinschaft auf benediktinischer Basis, waren Träger des ,,Kinderkrankenhauses an der Lachnerstraße" in München. Durch den Umbau des alten und den Neubau eines neuen Krankenhaus-Traktes waren die Schwestern in finanzielle Bedrängnis geraten. In Dr. Aurnhammer fand sich ,der Retter in der Not, und es war für ihn nun schon die dritte große Sanierungsaufgabe! Das Erzbischöfliche Ordinariat München bestellte, dem SOS-Ruf der Schwestern Gehör schenkend, den bewährten Finanz-Experten zum ,,Prokurator" der Schwesternschaft mit unbeschränkten wirtschaftlichen Vollmachten.  Da die Zukunft ,der guten Schwestern auf dem Spiele stand, von denen die meisten schon im hohen Alter waren und die ein Lehen lang selbstlos, d.h. ohne Entgelt im Dienst kranker Kinder gestanden hatten, entschloss sich der 70jährige ,,Ruheständ1er" zur Übernahme dieses ehrenvollen, aber riskanten Auftrages, im Glauben, in ihm einen Anruf Gottes erblicken zu müssen; denn das war ihm klar, es konnte nicht Gottes Willen sein, diese Opferseelen in ihrem Alter einem bedrohlichen Schicksal zu überlassen. Gott wirkt in einem solchen Fall keine Wunder, aber er hat und braucht Menschen, die seinen Willen vollziehen! Aus dieser Haltung heraus erfolgte sein Ja.
Da er existentiell durch sein Ruhegehalt versorgt war, stellte er sich ex caritate, d.h. ohne Entgelt, zur Verfügung. Die Heimleitung im Ursulinenheim hatte er inzwischen an eine hierfür ausgebildete Schwester der Ursulinen übrrgeben, er selbst aber blieb als Hausgeistlicher im Heim bis zu seinem Wegzug nach Eichstätt im Jahre 1973 wohnen, begab sich aber regelmäßig von Montag bis Samstag an seinen neuen Arbeitsplatz in der Lachnerstraße.
Es gibt Fälle, in denen ein Kranker nur noch durch ei neu operativen Eingriff gerettet werden kann. Soll im Wirtschaftsleben ein Unternehmer aus den roten Zahlen herauskommen so müssen Einnahmen und Ausgaben wieder in die Balance gebracht werden. Das ist nur möglich entweder durch die Steigerung der Einnahmen oder die Verringerung der Ausgaben, wenn nicht gar durch beides gleichzeitig. Die Steigerung der Einnahmen hätte in erster Linie die Erhöhung des Pflegesatzes seitens der Krankenkassen zur Voraussetzung gehabt. Eine Anhebung aber war momentan nicht möglich. So musste versucht werden, die Ausgaben zu senken. Die Überprüfung der Löhne und Gehälter ergaben zwar in einzelnen Fällen übertarifliche Zahlungen, doch der Versuch sie zu korrigieren scheiterte an dem Prinzip der ,,Wahrung des Besitzstandes", d.h. einmal zugestandene Löhne und Gehälter konnten nicht mehr reduziert werden. So mussten in Ermangelung anderer Einsparungsmöglichkeiten zunächst alle baulichen Maßnahmen ,gestoppt, Skonten durch Barzahlung ausgenützt und die ganze Situation bis zur nächsten Pflegesatzerhöhung einfach ,,durchgestanden" werden.
Dazu gehörten seitens der wirtschaftlichen Leitung eiserne Nerven und das Sichabfinden mit der enttäuschenden Tatsache, dass seitens des weltlichen Personals eine Mithilfe durch Verzicht auf einen auch nur kleinen Teil der Entlohnung oder eine, wenn auch noch so bescheidene Verlängerung der Arbeitszeit eine finanzielle Erleichterung nicht zu er-
reichen war. Die vom Prokurator gehegte Erwartung, sein durch eigenen Lohnverzicht lebt erwiesener Idealismus würde eine günstige Auswirkung auf die Gefolgschaft haben, erwies sich als wirklichkeitsfremde Illusion, ja trug ihm erbitterte Anfeindung ein. Die einzige richtige Konsequenz wäre für ihn der Verzicht auf weitere Sanierungsbemühungen gewesen. Doch letztlich hing ja die Zukunft dcr Benediktus-Schwester unzertrennlich mit dem Fortbestand des Krankenhauses zusammen. Ihretwegen durfte die Flinte nicht ins Korn geworfen werden. So hieß es sich über Wasser halten und durchstehen. Und es lohnte sich! Wenn man das so knapp aussagt, muss vergessen werden, dass die Sorgen, Intrigen und Bedrängnisse dem ,,Retter in der Not" fast das Leben gekostet hätten. Die schweren Erkrankungen wären ihm erspart geblieben, wenn er an sich gedacht hätte.
Durch eine straffe wirtschaftliche  Führung gelang es, bald allen laufenden Verbindlichkeiten gerecht zu werden und allmählich auch Überschüsse zu erzielen, die es ermöglichten, auch Rückstände abzutragen. Ja auch die Kredit bewirkt. Die hinzukommende Erhöhung des Pflegesatzes und die anhaltende gute Belegung des Krankenhauses brachte schließlich einen neuen Frühling, Sommer und Herbst in Form einer erneuten wirtschaftlichen Prosperität. 1969 war die Existenz des Kinderkrankenhauses so weit gesichert, dass die Fortführung kein Risiko mehr bedeutete.
Ein anderes Problem, das der Überalterung der Schwestern, wurde jetzt immer fühlbarer. Nun musste von dieser Seite her die Notwendigkeit neuer Aktivitäten erkannt werden. Die Benediktusschwestern mussten daran denken, die Trägerschaft für das Krankenhaus abzugeben.
Auf der Suche nach einem neuen Träger hatte man Glück. Von den verschiedenen Interessenten stiegen schließlich die Solanus-Schwestern - eine franziskanische Ordensgemeinschaft mit dem Sitz in Landshut - ein und übernahmen ab Januar 1970 den Krankenhausbetrieb pachtweise. Damit war die Fortführung dieser segensreichen Einrichtung im bisherigen Geiste gesichert und die Benediktus-Schwestern konnten ruhigen Gewissens sich von der Trägerschaft loslösen.

Die Altersversorgung der Benediktus-Schwestern (1969-1973)

Dr. Aurnhammer hatte rechtzeitig Vorsorge für die Altersversorgung getroffen. Er konnte ein von den Schwestern geführtes, aber unrentables Kinderheim in einem bedeutenden bayerischen Kurort sehr günstig verkaufen und damit den Grund zum Bau eines schwesterneigenen Altenheimes legen. Auch den Platz dafür hatte er in klarer Vorausschau rechtzeitig erworben. Gestalt nahmen die nach und nach herangereiften Pläne im Jahre 1969 an, als in Pasing ein Heim mit 6o Betten, einem Appartement, einer Hauskapelle und großzügigen Gemeinschaftsräumen entstand. Da die Schwestern jüngeren Alters im Kinderkankenhaus bis zu ihrer Ruhestandsversetzung weiter arbeiten, bleibt etwa die Hälfte der Zimmer frei. Sie stehen für Studentinnen an der nur 5 Minuten entfernten pädagogischen Hochschule preisgünstig zur Verfügung und sind verständlicherweise sehr begehrt. Auch hier hatte sich wieder Unternehmungslust mit wirtschaftlichem Geschick verbunden.

So haben die alten Schwestern ein behagliches Heim mit bester Versorgung in gesunden und kranken Tagen als wohlverdienten Lohn für ein Opferleben im Dienste der Menschheit. Die angenehme Umwelt in einer ausgesprochenen Gartenlage sichert den alten Leutchen ausreichend Licht und Luft und - was ein Glücksfall für sich ist - die Gunst der Lage bringt mit den jungen studierenden Damen frisch sprudelndes Leben und viel sonniges Gemüt ins Haus. Die Schwestern erfahren so die Wahrheit des christlichen Glaubens.. ,,Gott verlässt die Seinen nicht" und ,,mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch gemessen werden".

Damit finanzielle Sorgen sie nicht mehr bedrücken, hält Dr. Aurnhammer noch schützend ,seine Hand über die wirtschaftliche Führung; ist doch das Haus St. Benedikt, das ihm als ehemaligem Benediktinerzögling, seinen Namen, seiner Entstehung und Zeitfolge nach das letzte und teuerste ,,Kind" von all den vielen Heimen, wo er ,,pater familias" sein durfte.

LEBENSABEND UND AUSBLICK

Ruhesitz

Er selbst hat zuletzt erst auch für seine alten Tage an sich gedacht und 1973 in Eichstätt sich ein bescheidenes, aber hübsches Eigenheim geschaffen, wo er in Zurückgezogenheit den Rest seines Lebens verbringen wird. Er ,ist somit dorthin zurückgekehrt, von wo seine von ihm so hochverehrte Mutter 1878 mit 18 Jahren ins Leben hinausgezogen ist und in Stopfenheim dann im Mittelpunkt einer mit Kindern gesegneten Familie ein erfülltes Leben fand.
Vom Glück gewiss nicht verwöhnt, hatte sie doch die Freude, von jeglicher Enttäuschung durch ihre Kinder verschont geblieben zu sein.


Glaube und Werke: Glaube ohne Werke tot.

Was hilft es, meine Brüder, Wenn einer sagt, dass er Glaube habe, wenn er keine Werke hat? Kann etwa der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleider sind und Mangel leiden am täglichen Unterhalte, und einer von euch sagt zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch - ihr gebet ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt es? Also auch der Glaube, wenn er keine Werke hat:
er ist tot für sich allein. Ja, da könnte einer sagen: Du hast Glauben, ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne Werke, und ich will dir auch meinen Werken meinen Glauben zeigen."

Jakobusbrief 2,14-2,19.

Ein Wort zur Berufsethik ist noch am Platz. Geistlichen, die mit Wirtschaft oder Geld zu tun haben, unterschiebt man heuchlerischer- oder boshafterweise gerne Mangel an ,,geistlicher" Gesinnung. Doch wer kann in dieser idrdischen Welt ohne materielle Güter auskommen, wer - außer im Kloster - auf persönliches Einkommen und Besitz verzichten?  Sagt nicht schon der heilige Augustinus, dass sogar zur Heiligkeit ein gewisses Minimum an ,irdischen Wirtschaftsmitteln nötig sei?
Und wer fremdes Gut verwaltet, hat die sittliche Pflicht, das nach bestem Wissen und Gewissen zu tun. Während man über sein Eigentum frei verfügen kann, - und Dr. Aurhammer tat es in reichlichem Maß ohne Aufsehens zu machen nach dem Schriftwort: ,,Wenn du spendest, soll die linke nicht wissen, was die rechte tut" (Mt 6,3). - Sind einem in der Verwaltung fremden Gutes klare Schranken gesetzt; und wer unter Respektierung derselben über das ihm Anvertraute als getreuer Verwalter verfügt und sich hütet, mit fremdem Gut sich Freunde zu verschaffen, steht moralisch weit höher als der, der auf fremde Kosten den Mäcenas spielt. Eine Maxime, die Dr. Aurnhammer allzeit mit selbstloser Strenge heilig gehalten hat. Wenn er dafür nicht immer Verständnis fand und ihn gelegentlich auch die Kritik zu ungerecht traf, tröstete ihn ein Gedicht eines seiner Schüler, der ihm in Kenntnis dieser Zusammenhänge ein Goethewort zusandte, das ,ihm manchmal in den Sinn gekommen sein mag:

Wir reiten in die Kreuz und Quer nach Freuden und Geschäften,
doch immer kläfft es hinterher und hellt aus allen Kräften.
So will der Spitz aus unserm Stall uns immerfort begleiten,
und seines Bellens lauter Schall beweist nur, dass wir reiten
.

Jeder, der den Menschen und den Geistlichen Dr. Aurnhammer kannte und kennt, weiß, dass Gewissenhaftigkeit in der Verwaltung des ihm anvertrauten fremden Gutes, der Stiftungsmittel, der Erlöse geglückter Verkäufe ihm ein hohes Anliegen war und ist. Wenn er eine Kraft manchmal zu kühn, zu selbstlos in die Waagschale geworfen hat, dann war es seine geistige und körperliche Belastbarkeit, gegen die er verstoßen haben mag, eine Überforderung seiner Tatkraft, die ihn in den Jahren der Sanierung der Laehnerklinik um ein Haar das Leben gekostet hätte.

WIE ICH IHN SAH

Glückwunschbrief zum 70.Geburtstag am 14. Juni 1966

Sehr verehrter, lieber Herr Direktor!

Zu Ihrem siebzigsten Geburtstag seien Ihnen die allerherzliebsten Glück- und Segenswünsche zum Ausdruck gebracht. Mag Ihnen der Herr weiterhin Gesundheit, Freude an Ihrer unermüdlichen Arbeit für die Jugend und weiter auch stetgen Erfolg in Ihrem rastlosen Bemühen um sein Reich gewähren!
Der Jubiläumsgeburtstag lässt uns mit Ihnen Rückschau halten auf die erfüllten Jahrzehnte Ihres Schaffens und Wirkens
- allen langwierigen und oft so unverhofft gekommenen Mühen und Schwierigkeiten zum Trotz.
Heute vor fast zwanzig Jahren betraten Sie den steinigen Ackerboden ,,Neuburg", aus dem so viele Jahre lang in fruchtbaren Saaten eine Absolvia um die andere herangewachsen ist. Und vor genau 15 Jahren - 1951 - konnten Sie die Renovierung des Seminars abschließen, vor genau 10 Jahren -1956 - wurde das Jakob-Balde-Haus fertig, Meilensteine auf Ihrem Schaffensweg zum Wohl und Segen für die Jugend, die Sie stets in der vielfältigsten Weise gefördert, ermuntert, unterstützt und angeregt haben, wohl wissend, dass in diesem höchsten Gut eines Volkes die Hoffnung von heute, die Zukunft von morgen beschlossen liegt und dass alles, was an gutem Geiste in diese jungen Herzen gesenkt wird, irgendwann einmal in der fernen Zukunft und noch lange über Ihren persönlichen Einflussbereich hinaus Frucht bringen werde in Geduld.
Denn mag auch mancher längst vergessen haben, was er Ihnen und Ihrem Werk an Dank schulden mag, so -ist doch Ihr Studienseminar, Ihr Balde-Haus der Rahmen und der schützende, anregende und befruchtende Umkreis gewesen, indem die entscheidenden Impulse und Kräfte aller jener jungen Menschen sich formten und ordneten, sich festigten und reiften, die sich dem christlichen Humanismus Neuburger Prägung - speziell in den Reihen der Seminaristen - verpflichtet fühlen und dieser Geist, zu Ihrer Freude sei's gesagt, begegnet einem immer aufs neue unverkennbar, sobald man auf einen Neuburger Gefährten trifft, wohin immer ihn der Lebensweg verschlagen haben mag.
Ich kenne und schätze aber, sehr verehrter Herr Direktor, Ihre persönliche Bescheidenheit viel zu sehr, als dass ich nicht im Augenblick des Schreibens deutlich spürte, wie Sie diese auf den ersten Blick allzu optimistische Deutung der Ausflüsse Ihres Lebenswerkes auf die junge Generation bescheiden von Ihrer Person abwehren möchten, wenn Sie das lesen. Aber längst sind alle jene Kräfte und Mächte, deren Keim in jungen Herzen sowohl durch Ihr persönliches Wirken wie durch die Leistungen und äußeren Bedingungen Ihres Aufbauwerkes in Neuburg und München und anderswo sich entfaltet und gefügt haben, über Sie selbst hinausgewachsen, der Samen in alle Lande verstreut und so wird Ihr Werk und Wirken wie ein ,,Ktäma eis aei" (Besitz für immer) über die Schicksale von uns Einzelnen und über die Zeiten hinwegdauern als ein Lebenswerk, das noch einmal in selten gerundeter Größe Ihre eigene Lebensthese von wahrhaft realistischer christlicher Modernität beweist und Ihr Leitmotiv in fide et scientia vis vitae dauerhaft und glaubwürdig über die Zeitläufe trägt und es, nicht nur im Stein der Stiftungsbauten, sondern mehr noch trotz  einer zerfallenden pluralistischen Wohlstandsgesellschaft, die in den scheinbaren Triumphen ihrer scientia vermessen auf Gott verzichten zu können wähnt - als ein gerade heute so notwendiges und - wie Sie selber bewiesen haben, verwirklichbares christlich-humanes Lebensideal unter Beweis stellt, welches in geradezu barocker Lebenskraft das Diesseits mit dem Jenseits zu fruchtbarer Einheit sich durchdringen lässt und verbindet.
So wurde eine unpathetische Christlichkeit, wie Sie selbst sie uns vorgelebt haben, keineswegs zu  wirklichkeitsfremder Schwärmerei und Frömmelei, sondern Sie selbst haben uns gezeigt - und ich sehe Sie noch heue mit dem Brevier in der Hand die Studiersaalaufsicht führen und das Kartoffelklauben überwachen - wie sich das Reich Gottes auf dieser seiner Welt, die uns sein Geheiß uns untertan zu machen gebot,
wahrhaft verwirklichen lässt. Denn Glaube und Wissen um das Diesseits sind eben nicht gespaltene und unvereinbare Realitäten, sondern - und so habe ich Ihren Grundsatz bewusst in der Festschrift übersetzt: Glaube und Wissen zusammen ergehen erst die Quelle des Lebens.

Diese kraftvolle Verbindung des Spannungsbogens zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Gottes schöner aber diesseitiger Welt und dem verheißenden Leben über ihr und über sie hinaus ist mir immer von derselben ursprünglichen Kraft katholischer Weltdurchdringung geprägt erschienen, wie sie sich in der Zeit der Gegenreformation in der irdisch-frommen Pracht der barocken Geisteshaltung, barocker Kirchen, Paläste und Klöster in unglaublicher Macht und Größe manifestierte. Gleichsam wie einer der bayerischen Kirchenfürsten, wie sie Hubensteiner beschreibt, sind Sie mir oft erschienen, der nicht nur die Seelen seiner Gläubigen, sondern auch ihre irdischen Bedürfnisse umsorgt. Denn eben der Barock hat die Welt, mit ihrer irdischen Schönheit, nicht mehr geleugnet, sondern als Beweis des Jenseits ,in den Dienst Gottes ,gestellt, in dem die Überhöhung des Irdischen als von der Erde aufsteigendes Lob Gottes im Letzten wieder auf IHN als den Ausgangspunkt und Ursprung aller Dinge zurückweist.

Und wessen bedürfte unser zerfallendes, in tausend Einzelkenntnissen zerrissenes, von den qualvollsten Zweifeln an der Existenz Gottes seit seinem Erlösungswerk vor 2000 Jahren am heftigsten geschütteltes Jahrhundert mehr, was bräuchte eine zwischen häretischen Sekten und allen zivilisatorischen Götzenkulten (Massenmedien, Filmstars, Sportfanatismus, Wahrsagerei und Wundertäterwahn) einerseits und von einer mörderischen Genusssucht, von alimentären, optischen und erotischen Orgien andererseits zerrüttete und bis ins Mark zerfressene Wohlstandsgesellschaft mehr als eines Beispiels, der Tat eines Einzelnen, eines fleißigen, unerschütterlichen Mannes, der in aller Stille und Bescheidenheit die Hand an den Pflug legt ohne zurückzuschauen und hingeht und mit seinem Wirken und Tun uns allen zeigt, dass man inmitten dieser Welt mit allen ihren Kräften und Gefahren so Stück vom Reiche Gottes mit eben den irdischen Mitteln der Welt, mit Geld und Recht und Plan und Verhandlung verwirklichen und mit allen Möglichkeiten des Diesseits den Auftrag des Ewigen in diese Weit hineinbauen kann. Und nicht allein der Glaube, fernab ,im stillen Gebetskämmerlein
- nein auch die Werke und gerade auch die Werke rechtfertigen den Menschen.
So wünsche ich Ihnen denn, lieber und sehr verehrter Herr Direktor, noch viele Jahre Kraft und Gesundheit und Zuversicht, um an diesem Ihrem Werk für die Jugend Stück um Stück weiter tätig sein, weiterzuwirken und weiterbauen zu dürfen und zu können, an dem Sie nicht für sich und zu Ihrem Ruhme - wir wissen es alle -, sondern zu Gottes höherer Ehre sich ein langes mühseliges Lehen lang angestrengt haben.
Dennoch: Der heilige Paulus sagt es im zweiten Timotheusbrief und in der Decke unserer Studienkirche St. Ursula steht es geschrieben:

Nisi legitime certaverit
non coronatur.

Es grüßt Sie für heute und wie immer sehr herzlich Ihr
Toni Griebsch.

DAS INTERVIEW

Gespräch zwischen
Herrn Direktor Dr. Aurnhammer und Dr. Griebsch, welches am Sonntag, den 23. 5. 1976 in Eichstätt anlässlich des bevorstehenden Geburtstages am 14. 6. 1976 stattfand.

G:Lieber und verehrter Herr Direktor, ich habe als ein Schüler von Ihnen, der Sie schon bald 30 Jahre kennt, gern die Gelegenheit wahrgenommen, Sie hier in Eichstätt zu besuchen, weil ich weiß, dass Sie in wenigen Wochen, am 14. Jun, Ihren 8o. Jubiläumsgeburtstag feiern. Ich freue mich, dass ich dies zum Anlass nehmen kann, um Ihnen über einige Stationen aus Ihrem sehr erfüllten und erfolgreichem Leben ein paar Fragen zu stellen, die manche Ihrer vielen Freunde, Verwandte und Schüler an Ihrem Jubiläumsgeburtstag bewegen mögen. So möchte ich Sie als erstes vorweg fragen, welches Gefühl man hat, wenn man nach einem so ereignisreichen Leben auf die verschiedenen Lebensabschnitte zurückblickt und  welche Stimmung in einem aufkommt, wenn man diesen Rückblick hält.

A: Zunächst einmal ist man von Dank erfüllt gegenüber dem Herrgott. Ich hätte nie gedacht, dass ich alles so gut überstehe bei den vielen Strapazen, die ich durchgemacht habe, denn es gab auch viele Aufregungen im Beruf nicht im geistlichen Beruf) sondern gerade in der Verwaltung des Studienseminars Neuburg im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundbesitz für die Stiftung. Dabei gab es einige Schwierigkeiten auch nachträglich noch. Ich freue mich, dass mich trotz dieser Aufregung und dieses Einsatzes Erfolg und Gesundheit begleiteten. Meinen Einsatz habe ich als selbstverständlich empfunden, Ich wollte nämlich meinen Leuten, im Seminar speziell, ein Beispiel geben und damit ihnen zeigen, dass ich nichts von ihnen verlange, was ich nicht selbst geleistet habe. Denn bei meinen Amtern war ich nie etwa wie ein Beamter im Dienst, sondern ich hab' mich gefühlt als der ,,erste Arbeiter", gerade ich in der Stiftungsverwaltung. Ich habe auch stets aus dieser Einstellung heraus gehandelt. Und heute bin ich dankbar, dass ich trotz dieser schweren Aufgaben ziemlich rüstig ein so hohes Alter erreicht habe. Ich denke oft mit innerer Freude daran, wie die Hausmutter, Frau Dorn, mich immer warnen wollte, wenn sie glaubte, dass ich mich übernehme wie sie immer nur gerufen hat: ,,Achtzig, achtzig" - Adenauer war damals achtzig Jahre geworden. Und sie hat mir immer sein Alter als Mahnung zugerufen und da hab' ich gelächelt und hab' gedacht: ,,Nun ja, das ist ein frommer Wunsch!" Dass ich dann tatsächlich 80 Jahre alt geworden bin, ist für mich eine umso erfreulichere Überraschung und sicherlich auch für die Hausmutter, die ja das gerade als das erstrebenswerte Ziel angesehen hat. Und so hin ich Gott dankbar, dass er mir dieses Alter in weitgehender Gesundheit geschenkt hat. Auch meiner Mitarbeiter, die mich unterstützt haben, muss ich dankbar gedenken. Das war in Neuburg mit meinen Mitarbeitern ein sehr schönes Verhältnis; man hat zusammengearbeitet, man hat nicht kleinlich gerechnet, ob die Arbeitszeit nicht schon zu Ende wäre, man hat sich mit einer gewissen inneren Freude der ganzen Sache gewidmet; und diese Mitarbeiter haben dann eben auch diesn Erfolg, den ich schließliech erreicht habe, mitbegründet.

G:Es ist also eine Art Gefühl der Dankbarkeit, trotz der Schwere und der Last der Dinge, die auf Ihren Schultern geruht haben;  Dankbarkeit ist ja ein Gefühl und da drängt sich mir eigentlich schon die zweite Frage auf, die etwas schwierig klingt: Glauben Sie, dass der Mensch rein gefühlsmäßig in seiner Lebensführung Dinge vollzieht, die letztlich eine Antwort auf die Eindrücke in seiner Jugend sind, dass also - um mit anderen Worten zu sprechen: glauben Sie an die Kraft der Erziehung auf den Menschen oder sehen Sie den Menschen doch mehr als ein Geschöpf an, das Ietztlich den Fügungen; des Schicksals unterworfen ist und sich mehr oder wendiger diesem fügen muss.


A:Aus meiner Sicht gesehen muss ich sagen, dass ich all' dies der Wirkung meiner Jugend zu verdanken - habe! Meine Mutter war hineingeworfen durch ein seht trauriges Schicksal in den ganzen Kampf und Ernst des Lebens und sie war mir mein Leben lang ein Vorbild. Diese Frau hat sich so eingesetzt, dass ich sie bewundere, solang ich nur lebe, und das was sie ,,geschaffen" hat aus dem Bestreben heraus für die Familie. Diese hat sie nach dem Tod des Vaters, schon mit 36 Jahren auf sich allein gestellt durch's Leben führen müssen. Und da musste ich, auch als Kind (und alle wir Kinder mussten) schon mithelfen, sobald wir konnten: denn die Mutter stand allein auf weiter Flur, und das, was ich da ,,musste", dieser Einsatz - für die Sache zunächst, aber auch letzten Endes für die ganze Familie -, das hat mich so geformt, dass ich es nie anders wusste, als eben meine ganze Kraft, wo immer ich bin, zu geben für die Sache, die mir aufgetragen ist.

G:Damit haben Sie eigentlich die nächste Frage, die ich etwas präziser stellcn wollte, schon beantwortet, nämlich:
Sie haben ja, wie Sie vorhin anführten, in Ihrer frühesten Jugend, ich glaube Sie waren wenige Jahre alt, Ihren Vater verloren und die Härte der wirtschaftlichen Verhältnisse früh empfunden.

A:Da war ich, wie ich den Vater verloren habe, ein Jahr alt: 1896 bin ich geboren, 1897 ist er gestorben.

G: Sie waren ein Jahr alt. Und ich habe bei der Betrachtung Ihres Lebenslaufes auch den Eindruck, dass dieser Sinn für das Reale, für die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, auch für die Sparsamkeit, aber auch dieses ,,sich einsetzen für etwas", dass das von diesen strengen Jahren der Kindheit und Jugend her mitgeprägt war. Nun ist der Verlust des Vaters - und hier kann ich Ihnen vieles nachfühlen, ich habe meinen Vater ja auch jung verloren, wenn auch nicht so jung - es ist ein sehr entscheidender Punkt im Leben eines Mannes und hier kommen die Analogien ein bisschen zum Tragen: ich habe ja in Ihnen nach dem Tod meines Vaters immer auch in gewisser Weise eine Vaterfigur gesehen. Glauben Sie, dass für Sie damals auch der Glaube oder die religiöse Bindung, vielleicht sogar die Berufung zum Priester in etwa im ,,Raum" war, der Sie irgendwie über diesen Verlust hinweggetröstet hat und Ihnen dabei geholfen hat mit dem Verlust fertig zu werden. Glauben Sie, dass da ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Phänomenen besteht?

A:Als Verlust habe ich das nicht empfunden, weil ich ja noch zu jung war; ich habe den Vater ja nicht mehr gekannt (mit einem Jahr) und deshalb keine Erinnerung. Aber dafür stand die Mutter sozusagen als die ,,Repräsentantin der Elternschaft" vor mir und was sie mir gezeigt hat in ihrem Leben, an Glauben auch, hat mich geformt; sie war kein bigottischer Mensch, eher ein sehr nüchterner Mensch, aber einer, der an Gott fest glaubte und der vertraute auf Gott. Und daraus hat sie ja die Kraft geschöpft, das alles zu meistern und das hat sicher auf mich stark abgefärbt. Meine Mutter war immer mein Vorbild, nachdem ich ,den Vater selbst nicht mehr kannte. Und wenn ich Priester geworden bin, so hatte das folgenden Grund: Durch den Krieg war ich an unserer Zeit schwankend geworden, durch den Umsturz und die Revolution. Für mich war ,,Thron und Altar" eine Synthese, die nicht zu trennen war und wie nun die Throne gestürzt sind, bin ich sehr skeptisch geworden, ob nicht auch die Altäre in Mitleidenschaft gezogen werden und bedroht sind. Da war ich dann nachdenklich geworden und schließlich wurde ich umgestimmt durch die Mission in München, eine große aufwühlende Volksmission mit ungeheuerlicher Beteiligung und ich hab' mich dann entschlossen, Geistlicher zu werden.

G:Beruf und Berufung, das sind die Stichworte für eine Frage, die sich gleich daran anknüpft. Sie sind ja sicher einer der seltenen Fälle einer echten Doppelbegabung oder Doppelberufung und man weiß, wenn man Ihr Lebenswerk anschaut und wenn man Ihre Biographie betrachtet, eigentlich nie ganz genau eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Sie haben vielleicht am besten durch Ihre Persönlichkeit gezeigt, dass man die beiden Dinge verbinden kann, auf der einen Seite die fast unglaubliche Begabung in wirtschaftlichen Dingen und auf der anderen Seite die Berufung zum Priester. Gibt es Augenblicke in Ihrem Lehen, wo Sie dieses Nebeneinander als Konflikt empfunden haben oder hat Sie es nicht gerade besonders gereizt, den Wirtschaft1er in den Dienst des Theologen zu stellen?

A:Konfliktsituationen habe ich nie gehabt, diesbezüglich. Ich hab' mir vorgestellt, wie ich geweiht worden bin, dass ich ein gewöhnlicher Landpfarrer werde. Ich habe keine Ambitionen gehabt, Gott weiß was anzustreben und es hat sich dann alles fast von selbst so ergeben. Mein Studium hatte ich auf wirtschaftlichem Gebiete schon abgeschlossen. Und nun hat es sich gefügt, dass mich die Hansa-Heime brauchten,  die in München durch den Kaufmännischen Verein Hansa gebaut worden waren unter der Federführung von Generaldirektor Adam, einem vornehmen und vorbildlichen Priester; dort wurde ich nun nachdem ich in diesen Kreisen bekannt war, für die Sanierung der Hansa-Heime engagiert. Und damit kam ich dann hinein in einen Lebensbereich, wo ich meine wirtschaftlichen Veranlagungen, die ich auch von meiner Mutter geerbt habe, wie die Sparsamkeit und Zielstrebigkeit und dann auch die erworbene theoretische Ausbildung verwerten konnte. Und dadurch habe ich die schöne Synthese gehabt: hier wirtschaftlich arbeiten für die Anstalt und dort wiederum als Geistlicher auch auf pädagogischem Gebiet wirken, ich war gleichzeitig auch Heimleiter mit jungen Leuten unter mir, so dass ich mich auch auf diesem Gebiet betätigen konnte. Diese Doppelaufgabe hat sich so aus dieser Situation heraus ergeben. Und das hat dann durch' s ganze Leben so weitergeführt, der Faden hat sich weitergesponnen. Dann kam ich von ,den Hansa-Heimen nur weg durch die politische Situation des Nationalsozialismus, so dass ich als Religionslehrer ans Gymnasium durch das Wohlwollen eines Ministerialbeamten berufen wurde. Schließlich kam ich nach Neuburg, wo wieder eine solche Situation vorlag, wo wirtschaftlich alles darniederlag, pädagogisch auch, ,durch den Krieg, nachdem ja nur noch Reste der Internatsräume vorhanden waren, wo ich dann wiederum beide Fähigkeiten und Aufträge in harmonischer Weise weiter zum Tragen und zur Ausführung bringen konnte.

G:Neuburg war sicher von den vier wirtschaftlichen Führungspositionen die schwierigste und auch die zeitlich in eine, Zusammenhang am längsten, nämlich  15 Jahre dauernde Aufgabe. Sie haben die Hansa-Heime erwähnt, wenn wir in die Biographie weiter hinausblicken, in die späteren Jahre, schließt sich dann an Neuburg noch einmal der Auftrag bei den Ursulinen an, der ja auch mit wirtschaftlichen Dingen eng verknüpft war und die Sanierung der Lachner-Klinik; und der Bau eines Heims für die Benediktus-Schwestern ist ja wieder eine solche Doppelberufung, wenn Sie so wollen. Ich möchte aber doch bei Neuburg, als dem eigentlich tragenden Thema, noch einen Augenblick verweilen und Sie fragen, wie Sie sich heute zu dem Problem des Sinns oder des Vorteils von Internaten stellen - von Sparta bis Athen hat es ja immer solche Institutionen oder Institute gegeben und auch manche wissenschaftlichen Kommissionen bilden quasi einen Körper, der eine gewisse Eigengesetzlichkeit hat, wie eben Internate auch ihre Eigengesetzlichkeit haben. Meinen Sie nun, dass Internate nur dazu da sind zur Erziehung zur Selbständigkeit oder um zum Abschirmen einer gewissen ,,Reizüberflutung" von außen zu dienen, oder sehen Sie spezifische Kräfte am Werk, die in einem Internat im Menschen geweckt werden: glauben Sie nicht auch, dass Eigenschaften, z.B. Gemeinschaftssinn, Disziplin und fruchtbare geistige Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen weitere wichtige Elemente sind, die im Internat sehr stark zum Tragen kommen?

A:Ta, das letzte ist unbedingt zu bejahen, das ist das entscheidende Moment; und wie es die Erfahrung lehrt, wirkt sich eine Internatserziehung auch dahin aus. Wenn ich diese Studentengemeinschaft betrachte,  besonders  die Neuburger Studiengenossenschaft etwa, so stelle ,ich fest, dass es überwiegend dort Seminaristen sind, die im Leben ,in führenden Positionen stehen. Und das ist nur durch diese Art der Erziehung selbstverständlich. In der Schule, da ist man in der Klasse beisammen während der Unterrichtszeit, geht auseinander und verliert sich damit wieder in gewissem Sinn. Dagegen ist im Seminar durch das Heranwachsen in entscheidenden Jugendjahren, ich möchte fast sagen, ,im wichtigsten Lebensjahrzehnt des Menschen, ,in einer solchen Gemeinschaft doch eine Art Zement gegeben, ein Element des gemeinsamen Erlebens, das so stark bindet, dass man es nicht mehr abstreifen kann. Auch wenn man hinauskommt ins Leben, wird man sich immer an diese Jugendzeit erinnern, die man in dieser Großfamilie, wie sie ein Seminar sein soll, erlebt hat. Und deswegen halte ich den Fortbestand von solchen Instituten, Erziehungsinstituten oder Internaten, als sehr wünschenswert, wenn sehr oft auch gegen dieselben quergeschossen wird und man ,gern ihre Bedeutung oder auch ihre Erfolgsaussichten abwertet.  Das ist aber ein Zerrbild, das da geweckt wird, ,in Wirklichkeit sind sehr viele positive Werte festzustellen. Nun ist es heute sehr schwierig geworden, Internate weiterzuführen, dadurch, dassast alle 20 km bereits eine Vollanstalt ist mit einem ,,Gymnasium", somit ist es sehr schwierig geworden, die Seminare zu ,,bevölkern". Denn früher kamen sehr viele begabte junge Burschen ins Seminar, deren Eltern irgendwo abgelegen lebten, sagen wir einmal im Forstwesen oder in einer Landwirtschaft draußen, ganz weit entfernt von der nächsten höheren Lehranstalt; dann kamen auch viele aus Großstädten, wo die Wohnverhältnisse vielleicht noch manchmal etwas prekär waren, während heute all diese Gründe wegfallen und Seminare ziemliche Nachwuchsschwierikeiten haben.

G:Wir leben in einer Zeit ,des Umbruchs. Die Großfamilie, für die ja das Internat quasi ein Pendant ist, die Großfamilie ist tot und das Internat hat Schwierigkeiten, dassan junge Leute findet, die es wert sind, ~durch Stiftungsmittel gefördert zu werden oder überhaupt, es ist schwer geworden, Nachwuchs für ein Internat zu finden, Es ist aber nocheine andere Institution in Gefahr und zwar schon in sehr prekärer Gefahr, an die wir, meine ich, beide sehr glauben: es ist ,das humanistische Gymnasium; die humanistische Bildung ist bedroht und wenn man die Zahlen sich in Neuburg jetzt anschaut, ist das Internat ja nur sehr gering besetzt gegenüber früheren Zeiten mit über 200 Schülern und auch die Zahl der Gymnasiasten alter Prägung ist im Schwinden begriffen. Ich habe jetzt eben gehört, dass es auch in München mit Einführung der Kollegstufe nur noch in einem oder wenigen Gymnasien möglich ist, den ganzen humanistischen Zug aufrecht zu erhalten. Glauben Sie, dass unsere Zeit für das humanistische Bildungs-Ideal keinen Sinn mehr hat oder glauben Sie, dass dieses Ideal veraltet ist und dass wir uns von ihm lösen sollten?

A:Eines, glaube ich, steht fest, dass unsere heutige Zeit viel zu stark materialistisch geprägt ist und in allem nur auf den Vorteil des Lebens ,schaut, d.h. wie kann man das Leben schöner und ,einträglicher gestalten. In dieser Zeit hat es das ,Gymnasium mit seinen Idealen schwer, das nicht eben nur für den Gelderwerb oder für eine möglichst gesicherte berufliche Zukunft sorgen soll, sondern weil das Gymnasium Bildung auch im Bereich von Allgemeinbildung und Charakterbildung vermitteln soll. Das ist heutzutage. sehr in Frage gestellt bei dem geringen Interesse an wahrer Bildung, eine Einstellung, die heute im Zeitalter der Spezialisierung allenthalben verbreitet ist. Man ist eben heute nur noch auf die berufliche Absicherung und soziale Sicherheit bedacht. Das geht schon im Berufsleben an, wo junge Leute gleich möglichst viel verdienen wollen, um damit später eine sehr gute ,,Rente" zu erzielen. Da zeigt sich ganz deutlich der Zug der Zeit gegenüber früher, wo man an das gar nicht in erster Linie gedacht hat. Vor 50 Jahren hat kein Mensch gefragt ,,Was krieg' ich da einmal Rente, wenn ich heute 25.- Mark als Hausangestellte auf die Hand bekomme?". Heute würde das niemand, teilweise freilich zu recht, mehr machen. Da zeigt sich aber Sicherheits- und Rentabilitätsdenken als bezeichnender Zug der Zeit. Vor diesem Hintergrund gebe ,ich dem humanistischen Gymnasium leider sehr wenig Chancen. Es sind Kinder aus vielleicht hochgebildeten Familien, die Bildung als einer Ausstattung für das Leben noch einen Wert beimessen, die ihre Kinder vielleicht noch aufs humanistische Gymnasium geben, soweit die Begabung vorhanden ist; denn ich glaube, dass dieser Typ des Gymnasiums mit seinen drei Fremdsprachen, davon zwei zwar toten, aber die ganze Fülle humanistischer Bildung mit sich führenden auch heute noch die höchsten Anforderungen unter den verschiedenen Typen unsres Schulwesens stellt.

G:Wir kommen zum Schluß dieses kleinen Gesprächs und ,ch möchte Sie abschließend fragen, wenn Sie nun über all' diese Jahre zurückblicken und zurückdenken an die Zeit, wo Sie die Hansa-Heime saniert haben, die Zeit als Religionslehrer, die Zeit im Krieg, die Zeit des Wiederaufbaus ,des Studienseminars, die gewaltige Ausweitung der Stiftung über die drei Städte Regensburg, Augsburg und München, die Zeit der anschließenden Tätigkeiten bei den Ursulinen, bei der Lachnerklinik und bei den Benediktus-Schwestern. Wenn Sie über das alles jetzt so hinwegblicken, erwachsen aus diesen Erlebnissen, Erfahrungen und Erfolgen noch ganz spezielle Wünsche an die Zukunft und an die nächsten Jahre, in denen Sie jetzt auch einmal an sich ,denken können, etwa auch Ihre Gesundheit pflegen und sorglos sich Ihrem ,,otium cum dignitate" zuwenden können?

A:Nein, Ambitionen für die Zukunft habe ich keine mehr, Ich habe bis ins Alter von 77 Jahren effektiv gearbeitet und nach dem 65. Lebensjahr durchaus noch große Aufgaben bewältigt, ,speziell für die Ursulinen und die Benediktus-Schwestern in München. Daher habe ich mir, als ich hierher nach Eichstätt gezogen bin, 1973, nach einer akuten, lebensgefährlichen plötzlichen Erkrankung, gesagt..  "So, jetzt schalte ,ich ab!" Ich ,habe das auch ,gemacht und ,habe mich dabei auch tatsächlich wieder erholt. Mein Leben ist also ausgeschöpft. Ich bin niemand was schuldig geblieben. ,,Ich habe", könnte ich mit Paulus sagen, ,,mehr gearbeitet als alle anderen." Nicht überheblich möchte ich das sagen, sondern es nur als das Gefühl innerer Erfüllung erwähnen und ,so habe ich eben zunehmend das Bewusstsein, mein Leben tatsächlich voll gelebt zu haben, nichts in dem versäumt zu haben, was mir an Aufgaben gestellt worden ist und das alles gründlich und mit jener mir von oben beschiedenen Ausdauer auf mich genommen zu haben, die mich immer hochgehalten hat, das Begonnene zu Ende zu führen. Und das ist jetzt meine Genugtuung im Alter, dass ich sage: ,,Gut, Gott sei es gedankt, das ist mir gelungen." Ich stand oft vor Problemen, wo ein anderer gesagt hätte, ,,Hände weg". Ich habe ,,ja" gesagt. Wie war's schwierig in Neuburg und noch mehr bei den Hansa-Heimen, die ja uferlos verloren waren, - Konkurs - und wo nichts dagewesen war wie Schulden. In Neuburg, da war trotz des Niedergangs und der chaotischen Verhältnisse eine Substanz da, der Stiftungsbesitz Wald und Feld, aber davon war in den Hansa-Heimen keine Spur und trotzdem ist es gelungen, sie zu sanieren und wieder zu einer bekannten großen katholischen Anstalt zu machen. Man hat mir abgeraten, aber ich habe erst recht ,,ja" gesagt. Das Seminar war zum Großteil Flüchtlingslager und die ganze Situation hat ganz hoffnungslos ausgeschaut. Das hat mich aber erst recht bestimmt und dazu bewogen, ,,ja" zu sagen und die Aufgabe zu übernehmen. Es war eine Sache, bei der wollte ich gerade einmal sehen, ob man das nicht wieder hochbringen kann. Mit diesem mutigen, vielleicht auch etwas ehrgeizigen Entschluss, bin ich hingegangen und - es ist mir gelungen! Schlimm war es auch mit den Benediktus-Schwestern in München in dem Kinderkrankenhaus, denn das war wirklich auch konkursreif. Es gab horrende Schulden und nichts an flüssigen Mitteln. Ich hätte ohne weiteres als Prokurator, als welcher ich bestellt wurde, sofort den Konkurs anmelden können. Aber das wollte ich nicht. Ich habe mir gesagt, gut, es sind immerhin 40 Schwestern da, wenn die alle mitarbeiten und zwar im Gemeinschaftsgeist, dann muss es gehen! Und das hat mich auch hier bewogen, ,,ja" zu sagen. Es ist auch gelungen. Und das ist nun meine Genugtuung, um es noch einmal zu sagen, dass all' diese schwierigen Probleme gelungen sind und ich am Ende sagen muss, ,,Gott sei Dank", ich bin am Ziel glücklich angelangt! Nun habe ich nur noch den Wunsch, dass mein Wirken auch vor Gott bestehen kann und allen, mit denen ich dadurch in Verbindung kam - der Jugend und den Mitschaffenden zum Segen gereiche!

G: Lieber Herr Direktor, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!